Die Satansbraut
Publikumsgeschmack
wandelte sich«, fügte Walter Tomsic mit seinem Vogelstimmchen hinzu. »Die
bewährte Masche ging plötzlich nicht mehr. Die Leute wollen etwas anderes,
etwas Neues.«
»Ich habe mich natürlich
ausführlich mit den Grundlagen für unser neues Stück beschäftigt«, beharrte
Egan. »Das Publikum ist vielleicht die Musikfilme leid geworden, sicher aber
nicht die Musicals mit Nina Farr in der Hauptrolle und Tracy Dunbar als
Rivalin. Euer letzter Film — war’s 1948? — >Moonlight on the Palace<, kostete rund vierhunderttausend Dollar, eingespielt hat er aber
zwei Millionen.«
»Die Produktionsfirma bekam
kalte Füße«, sagte Tracy rasch. »Alle anderen Musikfilme waren
Verlustgeschäfte, und deshalb wollte niemand mehr ein Risiko eingehen.«
»Mit meiner Serie als singender
Cowboy war es fast genauso«, sagte Alex. »Sie warf immer noch Gewinn ab, aber
die dämlichen Produzenten entschieden, damit sei kein Blumentopf mehr zu
gewinnen, basta.«
»Irgendwie fasziniert mich die
Geschichte«, fuhr Egan fort. »Und in all den Jahren seither hat keiner von euch
je wieder arbeiten wollen — bis zu diesem Stück?«
»Wir hatten es nicht nötig«,
sagte Alex. »Wir hatten Geld genug und keine Not. Außerdem hatten wir alle
andere Interessen.«
»Ich heiratete«, sagte Nina. »Das
war der größte Fehler meines Lebens!«
Egan konzentrierte sich nach
wie vor auf Alex. »Und es hat Sie nie bedrückt?«
»Was?« krächzte Alex. »Daß ich
nicht drehte? Wollen Sie Witze machen? Ich...«
»Nein«, unterbrach Egan. »Ich
meine den Skandal. Nach dem Mord und Alton Asquiths
Selbstmord muß das hier doch das berüchtigtste Haus des Jahres 1947 gewesen
sein.«
»Ich habe es erst später
gekauft, als über die ganze Sache Gras gewachsen war«, antwortete Alex. »Und
ich hab’s spottbillig gekriegt, jawohl!«
»Ist es damals passiert — 1947,
meine ich?« fragte ich und war ein bißchen verwirrt. »Ich dachte, es sei schon
viel früher geschehen, denn Alton Asquith war doch
ein Stummfilmstar, nicht wahr?«
»Das stimmt.« Tracy nickte. »Er
hatte sich auch schon Jahre vor dem Ereignis zurückgezogen. Sein Vermögen hat
er freilich in jenen Tagen gemacht, als die Steuern noch ein Witz waren, und
deshalb war er auch noch mehrfacher Millionär, als er starb.«
»Ich gehe jetzt spazieren«,
sagte Nina unvermittelt und stand auf. »Kommst du mit, Walter?«
»Selbstverständlich, meine
Liebe.« Walter stellte seine fast volle Kaffeetasse hin und sprang auf.
»Es war ein reizendes
Frühstücksgeplauder«, sagte Nina eisig. »Erst wird mir mein widerwärtiger
Ex-Gatte an den Kopf geworfen, und nun auch noch all diese schrecklichen
Erinnerungen an Alton Asquith!«
Alex unterbrach das Kauen nur,
um auf die Uhr zu blicken und zu sagen: »Um halb elf treffen wir uns im
Wohnzimmer zu einer Vorbesprechung. Okay?«
»Wir werden da sein«, sagte
Nina.
Keine zehn Sekunden, nachdem
Nina und Walter das Zimmer verlassen hatten, erschien Bert Bancroft. Er
murmelte: »Guten Morgen«, ohne jemanden dabei anzusehen, goß sich Kaffee ein
und setzte sich auf den Stuhl, den Walter soeben freigemacht hatte.
»Ich muß euch etwas
anvertrauen«, sagte Tracy. »Denn es jagt mir einen Angstschauer nach dem
anderen über den Rücken! Das da soll das Genie sein, das sowohl Drehbuch als
auch Liedertexte schreibt?«
»Ich habe eine schlimme Nacht
hinter mir«, flüsterte Bert heiser.
»Vielleicht auch ein paar
hochprozentige Alpträume?« fragte ich kühl.
Er warf mir einen Blick voller
Seelenschmerz zu, dann nahm er einen großen Schluck kochend heißen Kaffee, und
sein Gesicht wurde purpurrot.
»Wißt ihr was?« sagte Egan.
»Ich habe niemals einen Film von ihm gesehen. Wie hat er eigentlich
ausgeschaut?«
»Sie meinen, Bert Bancroft hat
einen Film gedreht?« Alex starrte ihn verständnislos an. »Wenn’s so ist, dann
wette ich, er hat genau wie jetzt ausgesehen. Wie ein Ochse!«
»Wie unglaublich lustig«, sagte
Egan abschätzig. »Ich sprach von Alton Asquith. Wie
sah er aus?«
»Nicht sehr groß«, sagte ich.
»Etwa ein Meter fünfundsechzig. Lange blonde Haare, die allmählich grau wurden,
mit einem Scheitel. Ein Gesicht, wie es einem in der Menge nicht auffällt. Eine
ulkige spitze Nase und dazu auch ein langes spitzes Kinn. Wie ein sehr
trauriger Clown in einem billigen Zirkus. Ein heftiger Windstoß könnte ihn
davonwehen.«
Das sieht dir wieder ähnlich,
Mavis! sagte ich mir im nächsten Atemzug. Da mußt du
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