Die Satansbraut
gewesen
sein, auf dem sie Mary Blanding umgebracht haben! Und vielleicht war mein Vater
dabei. Ich bin überzeugt, daß er sie nicht ermordet hat, aber er muß gewußt
haben, wer es getan hat — und er hat geschwiegen. Und hat Asquith dir nicht
gesagt, die Tochter könne die Sünden der Väter sühnen?« Ihre Züge offenbarten
wilden Schmerz. »Wie könnte ich von hier fliehen, nachdem man mir dies gesagt
hat?«
»Da hast du wohl recht«, meinte
ich widerstrebend. »Aber offenbar schwebst du von nun an in großer Gefahr.«
»Das gilt für uns beide,
Mavis.« Sie lächelte mich matt an. »Erinnerst du dich an die Warnung, die
Agatha dir erteilt hat?«
»Ich solle mich vorm Verrat
eines Menschen hüten, den ich für einen Freund hielte?« sagte ich.
»Das trifft vielleicht auch
noch ein«, sagte Celestine, »aber wie steht’s mit den anderen Weissagungen? Die
Befleckung des Heiligen durch das Profane? Trifft das nicht auf den Altar zu?
Und was ist mit der Spinne, die ihr unterirdisches Netz webt?«
» Astaroth !«
entfuhr es mir.
»Es sieht so aus, als wisse
Agatha eine Menge mehr, als sie zugibt.« Celestines Züge verhärteten sich. »Es
muß doch möglich sein, die Wahrheit aus ihr herauszubekommen.«
»Leicht wird das nicht,
Kindchen«, sagte ich zweifelnd. »Sie wird behaupten, alles rühre von ihrer
Gabe, vom zweiten Gesicht oder so. Du kannst doch eine alte Frau wie sie nicht
verprügeln.«
»Ich könnte schon!« grollte
Celestine.
»Auf jeden Fall sollten wir uns
jetzt mal wieder ins Haus begeben«, meinte ich. »Fühlst du dich besser?«
»Mir geht es ausgezeichnet.«
Sie stand auf und begann, sich anzuziehen. »Abgesehen von den Dingen in meinem
Gedächtnis. Das, woran ich mich nicht erinnern kann.«
»Es wird dir wieder einfallen«,
sagte ich, überzeugter als ich eigentlich war.
»Es ist vor allem das
unangenehme Gefühl, daß jemand irgendwie meinen Verstand, mein Bewußtsein
beeinflussen kann«, sagte sie langsam. »Aber wenn ich darüber nachdenke, dann
drehe ich noch durch.«
»Dann denk nicht darüber nach«,
meinte ich klugerweise.
»Ich will’s versuchen«, sagte
sie. »Gehen wir?«
Ich stand auf, klopfte den Sand
vom Kleid, und dann wanderten wir über den Strand. Wir erreichten den Pfad, der
durch den Wald zum Haus führte, und ich schätzte nach dem Stand der Sonne, daß
es drei oder vier Uhr nachmittags war.
»Es ist alles so unwirklich,
nicht wahr?« sagte Celestine, nachdem lange Zeit Schweigen zwischen uns
geherrscht hatte.
»Du hast recht«, pflichtete ich
ihr bei. »Wie ein böser Traum.«
»Oder wie aus einem Buch?« Sie
wandte den Kopf und lächelte mich plötzlich an. »Wie wär’s mit >Mavis im
Wunderland?<
»>Mavis im Gruselland<
würde eher passen.« Ich grinste zurück.
»Weißt du was?« Sie lachte aus
vollem Hals. »Wenn es tatsächlich etwas aus >Mavis im Gruselland< wäre,
was müßten wir jetzt hinter der nächsten Kurve treffen?«
»Ich geb’s auf.«
Sie prustete erneut los. »Einen
dicken kleinen nackten Pfadfinder!«
7
Im Haus gingen wir gleich nach
oben und schätzten uns glücklich, daß wir unterwegs niemanden trafen. Celestine
sagte, sie wolle sich ein Stündchen hinlegen, und so ging ich in mein Zimmer.
Ich duschte gründlich, und als ich fertig war, spürte ich einen leichten
Sonnenbrand über den Schultern und einen schwereren auf der Sitzfläche. Das
kommt davon, sagte ich mir, wenn man ohne Bikini sonnenbadet. Das Schlimme war
der Gedanke, wie vorsichtig ich in den nächsten Tagen zu sein hatte, wenn ich
mich hinsetzen wollte. Ich zog eine Marinebluse an (so nannte es die Dame in
der Boutique, dabei kommt es mir eher wie ein ganz altmodisches
Herren-Unterhemd vor), und dazu marineblau-beige gestreifte Hosen. Mit dieser
Ausrüstung, so hoffte ich, kam ich über den Abend, ohne jedesmal, wenn Bert
Bancroft mich ansah, darauf achten zu müssen, daß ich die Beine
übereinandergeschlagen hielt. Dann bürstete ich mir rasch die Haare und verließ
mein Zimmer.
Ich blieb vor Nina Farrs Tür stehen, folgte einem Impuls und pochte leise an.
»Wer ist da?« rief sie.
»Mavis Seidlitz«, sagte ich.
»Kann ich Sie einen Augenblick sprechen?«
»Bitte, gern«, sagte sie.
»Kommen Sie herein.«
Sie saß Walter Tomsic an einem
kleinen Kartentisch gegenüber, aber die Karten, mit denen sie spielten, waren
doppelt so groß wie normale und auch mit seltsamen Bildern bedruckt.
»Ich möchte Sie etwas fragen,
Miss Seidlitz«, sagte Nina
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