Die Satansbraut
konnte Geheimnissen nun einmal nicht widerstehen.
Deshalb strich er mit den Fingerspitzen leicht über ihr Kinn und lächelte ihr zu. »Auch ich gebe Ihnen eine Anweisung. Schminken Sie sich nicht. Ich finde das gräßlich. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, Miss Stanton-Greville.«
Er schlenderte pfeifend davon, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Sophie blickte ihm regungslos nach, bis er in der Dunkelheit verschwand. Sie hatte Herzklopfen und fühlte sich leicht benommen. Dieser Mann machte ihr Angst. Sie hatte nicht gelogen, als sie ihm sagte, er sei anders als die anderen. Erschöpft ließ sie sich auf die Bank fallen und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Was sollte sie nur tun?
KAPITEL 3
Ryder lächelte, als er einen Blick auf die Bronzeuhr im großen Salon von Kimlerly Hall warf. Es war genau acht Uhr morgens. Sie würde jetzt nach ihm Ausschau halten und jede Minute damit rechnen, daß er angeritten kam, wie Ihre Königliche Hoheit befohlen hatte.
Aber sie würde vergeblich warten.
Um halb neun stand er auf, reckte sich genüßlich und ging in den kleinen Frühstücksraum, von dem aus man in einen seitlichen Garten gelangen konnte. Emile und sein Vater saßen am Tisch und wurden von zwei Sklaven — einem männlichen und einem weiblichen — bedient. Die Frau war Samuels Haushälterin Mary, und sie lächelte Ryder fröhlich zu und deutete auf einen Stuhl, so als wäre er ihr Gast.
Ryder ließ sich frisches Brot und Obst von dem großen Schwarzen namens James bringen, der keine Schuhe trug — auf Jamaika trug kein Schwarzer, egal ob Mann, Frau oder Kind, Schuhe. Ryder hatte sich an diese Unsitte noch immer nicht gewöhnt. Er trank den aromatischen schwarzen Kaffee, dachte an Sophie Stanton-Greville und versuchte sich ihren Gesichtsausdruck vorzustellen, nachdem sie ja inzwischen gemerkt haben mußte, daß er nicht kommen würde. Er lächelte wieder, während er ein Stück Brot kaute.
»Ich habe gestern abend gehört, daß Sie heute morgen mit Miss Stanton-Greville ausreiten würden.«
Ryder schaute lieber nicht zu Samuel Grayson hinüber, weil er befürchtete, daß er sonst wie ein Sünder grinsen würde, denn Samuel hörte sich eifersüchtig an. Wie viele Männer mochten in das verdammte Mädchen verknallt sein? Und wie zum Teufel konnte jemand etwas von den Plänen wissen, die er und Miss Stanton-Greville gemacht hatten? Oder, besser gesagt, von ihrem selbstbewußten Befehl?
»Ich würde sagen, daß es sich offenbar um eine Fehlinformation gehandelt haben muß, denn hier sitze ich und genieße mein Frühstück. James, bitte sag Cora, daß das frische Brot sehr gut ist.«
»Ihr Onkel hat es mir erzählt«, sagte Samuel. »Er wollte von mir wissen, ob Sie vertrauenswürdig sind. Er liebt seine Nichte sehr und will verhindern, daß irgendein Mann sich ihr gegenüber Freiheiten herausnimmt.«
Emile verschluckte sich an seinem Kaffee.
Ryder klopfte ihm kräftig auf den Rücken. »Alles in Ordnung?«
»Ich dulde das nicht, Emile«, fuhr sein Vater ihn barsch an. »Du wirst nichts Schlechtes über sie sagen, hast du mich verstanden?«
»Ich habe doch kein Wort gesagt, sondern mich nur verschluckt!«
»Verdammt, Junge, ich werde keine Unverschämtheiten dulden!«
»Samuel«, versuchte Ryder den Streit zu schlichten, »Sie wissen doch selbst, daß es über Miss Stanton-Greville Tugend verschiedene Meinungen gibt.«
»Das ist mir egal«, beharrte Grayson. »Ich kenne die Wahrheit.«
»Sprechen wir lieber von etwas anderem. Es hat keine neuen Höllenspektakel gegeben, was mich einerseits enttäuscht und andererseits auf die Frage bringt, warum sie nach meiner Ankunft so abrupt aufgehört haben.«
»Das stimmt«, sagte Emile langsam. »Nachdem du dich ja einige Stunden in Montego Bay aufgehalten hattest, bevor Vater dich nach Kimberly brachte, muß jeder oder so gut wie jeder innerhalb von vierundzwanzig Stunden von deiner Ankunft erfahren haben.«
»Und falls die Vorkommnisse nach meiner Ankunft aufhören sollten«, fuhr Ryder nachdenklich fort, »so bedeutet das, daß die dafür verantwortliche Person an jenem ersten Abend noch nicht wußte, daß ich hier eingetroffen war.«
»So ist es«, bestätigte Emile.
»Ich bin immer noch nicht davon überzeugt, daß ein Mensch hinter all dem steckt«, widersprach Samuel. »Es hat keine natürlichen Ursachen. Sie haben doch selbst gesagt, Ryder, daß keine Spuren von dem Feuer zu sehen waren. Vielleicht war es gar kein Mensch in weißen
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