Die Satansbraut
Gewändern, sondern eine dämonische Geistererscheinung.«
»Es war ein Mann aus Fleisch und Blut«, erklärte Ryder energisch. »Und auch der Pfeil, der meinen Arm traf, wurde von einer sehr realen Person abgeschossen. In jener ersten Nacht haben zwei menschliche Unholde hier ihr Unwesen getrieben. Eine Frage, Samuel — kennen Sie hier in der Gegend einen besonders guten Bogenschützen?«
»Großer Gott«, rief Emile bestürzt, »warum habe ich mir nicht schon längst diese Frage gestellt? Ja, Vater, laß uns mal darüber nachdenken.«
Während die beiden Männer überlegten, aß Ryder das eisgekühlte frische Obst und das knusprige frische Brot und dachte an Sophie Stanton-Greville. Sowohl diese Gedanken als auch das Brot waren köstlich.
Schließlich sagte Samuel: »Ja, ich kenne jemanden, der ein hervorragender Bogenschütze ist.«
»Wer?« fragten Emile und Ryder wie aus einem Munde.
Samuel winkte ab. »Nein, nein, das ergibt keinen Sinn. Ich dachte an Eli Thomas, Burgess' Aufseher. Er ist für seine Schießkünste bekannt, aber das ergibt einfach keinen Sinn. Warum sollte er hierherkommen und Ryder anschießen? David Lochridge ist ebenfalls ein Anhänger dieser Sportart, ferner ein Mr. Jenkins, Kaufmann in Montego Bay. Zweifellos gibt es in der Umgebung auch noch andere. Bestimmt zu viele, um irgendwelche sinnvollen Schlußfolgerungen ziehen zu können.«
Ryder lächelte. Ein weiteres Puzzleteilchen lag jetzt auf dem Tisch, und wieder bestand eine Verbindung zu der verdammten kleinen Nutte von Camille Hall, die ihn gehänselt und sich trotzdem nicht gegen seine Liebkosungen gewehrt hatte, obwohl gut hundert Gäste ganz in der Nähe waren. Er spielte mit einer Orangenscheibe. »Da die Männer, die uns in jener ersten Nacht nach meiner Ankunft einen Besuch abstatteten, offensichtlich nicht wußten, daß ich eingetroffen war, scheiden einige aus dem Kreis der Verdächtigen aus, denn an jenem ersten Nachmittag im Gold Doubloon habe ich viele Gentlemen kennengelernt.«
Emile holte ein Blatt Papier und einen Bleistift. Sie notierten alle Namen, an die Ryder sich erinnern konnte.
»Es bleiben immer noch zuviel Angreifer übrig, die theoretisch in Frage kämen«, seufzte Emile.
»Beispielsweise zwei ihrer Liebhaber«, bemerkte Ryder leichthin. »Oliver Susson können wir streichen.«
»Ja«, sagte Emile, und sein Vater warf die Serviette auf den Tisch und verließ den Raum.
Ryder blickte ihm stirnrunzelnd nach. »Warum verschließt er die Augen davor, was dieses Mädchen ist?«
Emile starrte das Ölgemälde an der gegenüberliegenden Wand an, das ein Zuckerrohrfeld als Motiv hatte. »Er hatte sich in den Kopf gesetzt, daß ich sie heiraten sollte, und er hat diese Idee bis heute nicht aufgegeben. Ich glaube außerdem, daß er selbst in sie verliebt ist. Ihm gefällt ihre Mutwilligkeit. Dir ist bestimmt schon aufgefallen, daß seine Haushälterin Mary auch ein keckes Geschöpf ist, und er hat sie sehr gern. Ich sage dir, Ryder, er würde Sophie auch noch verteidigen, wenn sie ihn in die Schar ihrer Liebhaber aufnehmen würde. Du darfst dir seinen Ärger nicht zu Herzen nehmen. Er ist mein Vater, und er meint es gut.«
Ryder nickte und aß weiter.
Emile fragte nach kurzem Schweigen: »Du hättest wirklich mit ihr ausreiten sollen, stimmt's?«
Ryder grinste. »Ja, aber ich werde einer Frau nie erlauben, mir Befehle zu erteilen. Ich werde ihr sagen, was ich von ihr will, und wann ich es will. Sie wird lernen müssen, daß ich das Sagen habe und mich nicht herumkommandieren lasse.«
»Das dürfte interessant werden.«
»Ich hoffe es.« Ryder leerte seine Kaffeetasse. »Weißt du, wie spät es ist, Emile?«
»Fast halb zehn.«
»Ich glaube, ich werde jetzt ein bißchen reiten.«
Emile lächelte etwas gequält. »Gute Jagd!«
»Danke, ich werd's gebrauchen können«, erwiderte Ryder.
»Wo ist er?«
Sophie drehte sich nach ihrem Onkel um. »Ich weiß es nicht. Ich dachte, er würde um acht hier sein. Er hat nicht gesagt, daß er nicht kommen würde.«
»Verdammt, du hast ihn irgendwie verärgert!« Er hob die Faust, ließ sie aber wieder sinken, weil einer der Haussklaven die Veranda betrat.
Er senkte auch die Stimme, aber sein Zorn war trotzdem nicht zu übersehen. »Du hast ihn vergrault! Du hast ihn nicht um den Finger gewickelt, Sophie. Ich bin sehr unzufrieden mit dir. Muß ich denn die ganze Planung allein machen? Nein, sag nichts. Ich werde entscheiden, wie wir jetzt vorgehen werden. Du hast
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