Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche
Schajtan und Ischak, aber liebevoll: Sie wusste sowieso nicht, was das bedeutete.
Ich packte auch in Sulfias Haushalt mit an, einer musste es ja tun. Ich räumte auf, in der Küche, im Flur, im Schlafzimmer auch. Ich saugte Staub, wischte die Böden und putzte die Toilette. Ich wollte nicht, dass Aminat im Dreck aufwuchs, zwischen den Darmbakterien ihres Stiefvaters auf der Klobrille und seinen Herpesviren an den benutzten Stofftaschentüchern, die er herumliegen ließ. Ich sammelte sie auf, suchte sie zwischen denDecken und Kissen im Ehebett zusammen, hob sie vom Boden unter der Couch auf, wusch sie in einer Schüssel, hängte sie zum Trocknen auf, bügelte sie anschließend. So auch mit der ganzen anderen Wäsche, die ich fand.
Sulfia war undankbar wie immer. Sie sagte nur: »Mutter, lass das bitte.« Irgendwann schrie sie mich sogar an. Das war, nachdem ich in ihrem Schrank aufgeräumt hatte, Unterhosen, Büstenhalter und Strumpfhosen sortiert und gefaltet, die löchrigen herausgelegt und per Hand gestopft. Ich hatte das alles gemacht, obwohl ich in dieser Zeit lieber ferngesehen oder eine Zeitschrift gelesen hätte, und dafür schrie sie mich jetzt so laut an, dass Aminat in der Tür auftauchte und »Mama, spinnst du?« fragte.
Sulfia hatte bis dahin nämlich nie geschrien, sondern nur hilflos »Mutter, warum. Mutter, lass das. Mutter, bitte fass diesen Schrank nicht an« ausgestoßen. Ich ließ sie schreien. Ich fand, jeder Mensch muss einmal in seinem Leben schreien. Nach ein paar Minuten fand ich aber auch, dass es genug war.
Als ich also der Meinung war, es sei genug, nahm ich meinen Stiefel in die Hand und schlug Sulfia damit ins Gesicht. Sulfia griff sich mit der Hand an die Wange. Da sprang Aminat auf mich zu, riss an dem Stiefel, den ich immer noch in der Hand hielt, und brüllte: »Wenn du meiner Mama noch mal wehtust, hab ich dich nicht mehr lieb!«
Ich war verblüfft. Das Liebhaben war ein beständiges Thema in unserer Familie. Wir wussten jederzeit, dass wir uns alle sehr lieb hatten. Wir sagten uns das oft, vor allem Aminat und ich. Ich ließ den Stiefel sinken. Aminat rannte aber nicht weg, sie versteckte nicht einmal ihr Gesicht. Sie stand breitbeinig da, wie ein kleiner Bauarbeiter, und sah mit ihren schwarzen Augen direkt in meine.
»Was hast du gesagt?«
Und sie wiederholte langsam und deutlich:
»Wenn du Mama noch mal wehtust, dann habe ich dich nicht mehr lieb. Überhaupt nie mehr.«
»Warum sagst du das?«
»Weil ich keine böse Oma haben will«, sagte Aminat und hüpfte auf einem Bein davon.
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Bin ich eine böse Frau?
Ich hörte genau hin, wenn Aminat etwas aussprach. Sie wirkte auch deswegen so ungezogen, weil sie oft treffende Sachen sagte. Ich bekämpfte ihre Art, alles auszusprechen, was ihr in den Sinn kam, denn es traf sehr häufig ins Schwarze, und das mochten die Leute nicht. Aminat reagierte empfindlich auf Dummheiten und fasste die Schönheitsfehler anderer Menschen sehr präzise in Worte. So konnte es natürlich nicht weitergehen, und ich arbeitete hart mit ihr. Aber ich hörte trotzdem genau hin, wenn sie etwas sagte.
An diesem Tag, an dem Aminat sagte, dass sie mich nicht mehr lieb haben würde, zog ich mir den Stiefel wortlos wieder an und verließ die Wohnung meiner Tochter Sulfia ohne einen Abschiedsgruß. Ich fuhr mit dem Trolleybus nach Hause. Dabei hatte ich die ganze Zeit Aminats Stimmchen im Ohr: »Ich will keine böse Oma haben. Ich will keine böse Oma haben.«
War ich eine böse Oma? Ich betrachtete mein Spiegelbild in der schmutzigen Fensterscheibe des Trolleybusses. Sah so eine böse Oma aus?
Zu Hause betrachtete ich mich eingehend, diesmal in meinem blank geputzten Standspiegel.
Ich sah überhaupt nicht wie eine Oma aus. Ich sah gut aus. Ich war eine schöne Frau und noch nicht alt. Man sah mir an, dass ich Kraft hatte und intelligent war. Ich musste mein Gesicht oft verschließen, damit andere Menschen meine Ideen nicht lesen und stehlen konnten.
Ich ging in die Küche, wo mein Mann gerade Gemüseragout aß, und fragte ihn, ob ich eine böse Frau war.
Er verschluckte sich und begann zu husten. Ich wartete geduldig.Er hustete noch mehr. Seine runden Augen wurden starr vor Schreck. Ich wartete. Er hustete weiter, ich klopfte ihm auf den Rücken.
»Und«, bohrte ich, »bin ich eine böse Frau?«
Er spießte ein Stück Aubergine auf seine Gabel. Ich entriss sie ihm, bevor er den Mund erneut voll hatte.
»Bin ich eine böse Frau?«
Er sah
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