Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche
mein Geld zurückverlangen.
Ich konnte auch ein bisschen Azeton hineintropfen, dann würde der Lack wieder flüssiger.
»Ach, schert euch doch alle zum Teufel«, sagte ich und legte auf.
Eine Stunde später stand sie vor der Tür. Um sie herum, im Kreis, hüpfte Aminat. Der Türspion verzerrte das Gesicht meiner Tochter auf eine besonders hässliche Weise. Ihre Nase war groß und ihre Augen außerordentlich klein. »Hallo, hallo«, sang Aminat, warf einen Stiefel ab und hüpfte auf einer Socke durch unseren Flur. »Hallo, meine liebe Omi, hallo, mein lieber Opi, die Anja ist da, die Anja ist da.«
Sie verschwand in ihrem ehemaligen Zimmer. Eine Sekunde später flog der zweite Stiefel durch die Tür und prallte gegen die Wand. Was arbeitete ich hart an diesem Kind, und es war immer noch völlig verzogen. Es war Zeit, dass ich Aminat wieder ganz zu mir nahm, bevor es zu spät war. Platz hatte ich jetzt ja, Zeit auch.
Sulfia hob den Stiefel auf, stellte ihn in das Schuhregal. Dann kam sie auf mich zu und umarmte mich.
Ich erstarrte.
Mein Gott, war sie klein. Sie war mickrig, schon immer gewesen. Ich gab ihr zu essen ohne Ende, ich zwang sie, alles aufzuessen, aber sie wurde weder größer noch dicker. Als sie noch zur Schule ging, setzte ich ihr jeden Morgen ein reichhaltiges Frühstück vor, Fleisch mit Beilage oder eine nahrhafte Suppe. Sie durfte nie mit leerem Magen aus dem Haus.
Ich hatte alles dafür getan, dass sie kräftiger wurde. Ich hatte ihr mühsam das Schwimmen beigebracht, obwohl ich es selber nicht konnte, aber das kalte Flusswasser setzte ihr zu. Sie bibberte, bekam blaue Lippen, und ruckzuck hatte sie eine Blasenentzündung für mehrere Wochen. Gott weiß, ich hatte mir solche Mühe mit ihr gegeben, und es war immer alles umsonst gewesen.
Ich schob sie von mir weg und ging in die Küche.
Sulfia bediente mich jetzt in meinem eigenen Zuhause. Natürlich konnte sie keinen guten Tee machen. Das Wasser war nicht kochend heiß, sie nahm zu wenig Teeblätter. Diese Brühe hatte kein Aroma und sah unappetitlich aus. Ich trank trotzdem, was Sulfia mir vorsetzte, ich wollte sie nicht noch mehr entmutigen.
Dann setzte sie sich mir gegenüber, verschränkte die Hände und sagte: »Mutter, diese Frau ist in seinem Alter. Also … ein bisschen älter als du.«
Ich sah sie stumm an. Sie wurde verlegen.
»Mutter«, sagte sie, »ich habe diese Frau kennengelernt. Sie ist nämlich krank. Das Herz. Papa hat mich angerufen, er wollte, dass ich sie unserem Arzt vorstelle. Sie ist ganz schön krank.«
Sie sah verlegen zur Seite.
»Ich fühle mich so schlecht«, sagte sie. »Ich habe sie gesehen. Es geht ihr wirklich nicht gut. Und ich … ich soll ihr helfen. Und ich … habe gar kein Mitgefühl. Weil sie schuld daran ist, dass es dir so schlecht geht.«
Ich dachte an meinen Gott. Ich wusste, dass er mir das Recht zubilligte, dieser Frau, von der Sulfia gerade so seltsam sprach, jedes Ungemach der Welt zu wünschen. Aber ich wünschte ihr gar nichts. Ich wollte nicht, dass sie starb, aber es war mir auch vollkommen egal, ob sie lebte.
Ich war nur ein ganz klein bisschen neugierig.
»Erzähl!« sagte ich.
Die Frau, sagte Sulfia, hieß Anna und arbeitete als Lehrerin für Russisch und Literatur. Sie trug graue Kleider, hatte einen Haarknoten, rot geäderte Bäckchen, eine Brille und ein liebes Lächeln. Sie war geschieden und hatte keine Kinder. Sie hatte Kalganow im Park kennengelernt, als er auf einer Bank gesessen und über den Tod nachgedacht hatte.
»Er hat sie angesprochen?« fragte ich misstrauisch.
»Anscheinend ja.« Sulfia sah unglücklich in ihre Tasse.
Tja, dachte ich.
Sulfia hatte ihre Adresse und ihre Telefonnummer, zum Beweis diktierte sie mir beides, und ich fragte mich, was sie jetzt von mir erwartete. Sollte ich auf der Stelle anrufen und die Herausgabe meines Ehemanns verlangen? Oder gleich mit einem halben Liter Salzsäure an der Wohnungstür der Lehrerin klingeln? Was dachte Sulfia, was ich jetzt tun sollte? Aber alles, was ich tat, war wichtig: Ich war schließlich ein Vorbild.
Eines Tages öffnete ich das Schlafzimmerfenster, um Frühlingsluft reinzulassen. Es war noch winterfest abgedichtet. Ich riss die Papierstreifen ab, mit denen ich das Fenster im Herbst abgeklebt hatte, und löste die Watte aus den Ritzen. Damit vernichtete ich das Ergebnis stundenlanger Mühen: Im Herbst war es eine elende Arbeit gewesen, die Fenster so zu bearbeiten, dass es nicht ständig zog und die
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