Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche
Unterschiede Menschen diskriminieren.
In unseren ersten Jahren hatte er viel darüber gesprochen. Ich hatte ihm zugehört – ich wusste, wie eine Ehefrau sich zu verhalten hatte. Das Wichtigste war, den Ehemann nicht darauf hinzuweisen, was für dumme Dinge er redet. Die Nachsicht der Frau hielt eine Ehe stabil. Ich verstand sehr viel davon, erst theoretisch, dann bewährte ich mich auch in der Praxis. Ich war eine perfekte Ehefrau.
Wir waren ein schönes Paar, am Anfang. Beide stattlich, schlank, gesund, mit glühenden Augen. Damals wurde ich ständig schwanger, das war ein Problem. Wir hatten kein Geld und keine Wohnung, trotz seiner Arbeit nicht. Er war ein Kommunist der Ideale, keiner, der dafür sorgte, dass seine Familie eine Existenzgrundlage erhielt. Seiner Meinung nach sollte es uns nicht besser gehen als anderen. Ich habe nicht gezählt, wie oft ich die unschuldigen Seelen deswegen zurück in den Himmel geschickt habe. Es war nicht mehr als bei anderen auch.
Irgendwann brachte mein Mann Gummischläuche für sein Organ mit. Mein Einfluss auf ihn hatte erste Auswirkungen: Er begann langsam, aber stetig Karriere zu machen. Als einfacher Arbeiter hatte er angefangen, dann wurde er in der Gewerkschaft aktiv. Seine Augen leuchteten, er stieg auf und kam an Sachen heran, von denen andere Menschen bis dahin nicht einmal gehört hatten.
Diese Schläuche zum Beispiel. Sie verhinderten Kinder zuverlässig. Sie verhinderten überhaupt den Vorgang, der zu den Kindern führte. Die Schläuche waren selten und wertvoll. Nach dem Gebrauch wusch ich sie aus und hängte sie zum Trocknen auf. Ich ließ sie lange an der Wäscheleine in unserem Zimmer baumeln. Ich hatte das Gefühl, je länger sie da hingen, desto seltener näherte sich mir mein Mann. Ich war damals müde und abgemagert, ich studierte Pädagogik und arbeitete nachts als Pflegerin in einem Ganztagskindergarten, und meine Begeisterung für die Ehe ließ langsam, aber stetig nach.
Dann hatten wir eine Aussicht auf unsere zwei Zimmer in der Kommunalwohnung. Die nächste Seele, die bei mir anklopfte, ließ ich leben. Es war Sulfia. Ich fragte mich nie, was aus den Kindern, die ich in den Himmel zurückgeschickt hatte, wohl geworden wäre. Gott verzieh es mir. Er gab mir Sulfia, und das war ein Glück.Er hätte mir ja auch einen kompletten Krüppel geben können.
Als Sulfia geboren war, blieb mein Mann neutral. Er mochte ihren tatarischen Namen nicht. Er hatte ja, im Gegensatz zu mir, eine große Familie mit lauter tatarischen Namen. Ich hatte dagegen niemanden mehr außer meiner Cousine Rafaella.
Kalganow wollte unsere Tochter Maria nennen. Aber eine Maria kam mir nicht ins Haus. Diese ganzen Maschas liefen in Scharen herum, bevölkerten die Kindergärten und die Spielplätze.
Mein Mann interessierte sich wenig für unsere Tochter, vor allem, nachdem ich sie Sulfia genannt hatte. Und wenn er mal was mit ihr machte, dann hauptsächlich Fehler. Er hielt sie so, dass sie ihm beinahe runterfiel. Und bei Sulfia war klar, sollte sie erst einmal runterfallen, dann wäre alles vorbei. Sie war mager und schwach. Sie konnte stundenlang in die Luft starren und nichts tun. So ein Kind hatte ich noch nie gesehen.
»Was stimmt nicht mit unserer Tochter?« fragte ich meinen Mann, und er antwortete: »Lass sie doch. Vielleicht denkt sie gerade nach.«
Und ich sagte: »Nachdenken? Das ist doch keine Beschäftigung.«
Das soll nicht heißen, dass ich nie nachdachte. Aber ich musste mich dazu nicht hinsetzen, die Hände im Schoß falten und ein abwesendes Gesicht machen. Bei mir ging das Nachdenken so nebenbei. Ich musste arbeiten und meine Tochter aufziehen. Niemand half mir.
Ich wollte nicht mit Kindern arbeiten, mir reichte Sulfia. Ich wollte auch nicht mit Berufsschülerinnen arbeiten, die hatten nichts im Kopf. Ich fand eine gute Stelle an der pädagogischenBerufsschule. Meine Arbeit war sehr wichtig: Ich sammelte die wissenschaftlichen Neuerscheinungen rund um Pädagogik und archivierte sie. Ich gab Sulfia in einen Tageskindergarten mit Übernachtung. Das hieß, ich brachte sie am Montag hin und holte sie am Freitag wieder ab – hustend und verrotzt, denn Sulfia war im Kindergarten so unauffällig, dass sie oft vergessen wurde. Mir schien, die Kindergärtnerinnen fütterten und wuschen Sulfia nur, weil sie Angst vor mir hatten.
Nur Gott weiß, wie sehr ich mich um diese Tochter gekümmert habe. Jeden Sommer verbrachten wir einen Monat auf dem Lande, bei entfernten
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