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Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche

Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche

Titel: Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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gefallen«, sagte Sulfia.
    Und Sergej?, hätte ich angesichts dieser Frechheit beinahe gefragt. Muss es ihm auch nicht gefallen? Dann sei unbesorgt, es gefällt ihm nämlich auch nicht! Wenn er die Wahl hat zwischen einer Frau, die wie eine zerrupfte alte Krähe aussieht, und einer anderen, die wie der Frühlingswind in Person daherkommt, dann darfst du dreimal raten, für welche er sich entscheidet!
    »Ich bin müde, Mutter«, sagte Sulfia. »Können wir uns vielleicht ein andermal sehen? Ich habe so wenig geschlafen.«
    »Warte«, sagte ich. »Ich muss mit dir reden.«
    Sulfia blieb stehen. Ihre prallen Netztaschen, gefüllt mit Kartoffeln, Roter Bete und Gurken, schlugen an ihren Beinen auf.
    »Komm mit zu mir«, sagte ich. »Ich muss dir etwas erzählen.«
    »Ein andermal, ja, Mutter? Ich gehe jetzt einfach heim.«
    »Es ist wichtig!« sagte ich.
    »Dann sag’s mir jetzt«, sagte Sulfia und sah über meine Schulter dem Bus hinterher, der gerade abfuhr.
    »Aber ich kann jetzt nicht! Nicht hier jedenfalls!«
    »Dann lass es. Dann ein anderes Mal.«
    Sie wollte es einfach nicht – sich von mir helfen lassen. Sie hinderte mich daran, ihre Ehe zu retten. Ich konnte tun, was ich wollte, aber immer stieß ich auf ihre Ablehnung. Unsere gute Zeit miteinander war offenbar ebenso vorbei wie ihre gute Zeit mit Sergej.
    »Mutter, ich falle gleich um, so müde bin ich. Lass mich jetzt gehen, ja?«
    Ich nahm sie am Ärmel und sah ihr in die Augen.
    »Sulfia«, sagte ich, »du musst dringend schwanger werden.«
    Sulfia begann zu blinzeln.
    »Was?« fragte sie. »Was soll ich tun? Deiner Meinung nach?«
    »Schwanger werden.«
    »Was?«
    »Ein Kind kriegen.«
    »Was?«
    »SCHWANGER WERDEN, SULFIA !!! Gottverdammt!«
    »Aber wie?«
    Ich seufzte. Mir fiel ein, dass ich ihr nie erklärt hatte, wie man es richtig macht. Erst dachte ich, sie ist zu jung. Dann dachte ich, sie braucht es eh nicht. Dann wurde Aminat geboren. Und dann dachte ich, dass sie es jetzt wirklich nicht mehr brauchen wird.
    Sulfia sah mich plötzlich liebevoll an.
    »Mutter, du hattest wohl auch einen harten Tag. Soll ich dich heimbringen?«
    »Aber eben wolltest du doch nicht.«
    »Ich glaube, es ist besser, ich komme doch mit.«
    So ging es eine Zeit lang zwischen uns hin und her. Sie bot mir an, mich heimzubringen, und ich lehnte ab. Ich sagte ihr einfach nur immer wieder, dass sie dringend ein Baby kriegen muss. Dass es ihr einziger Weg zum Glück ist. Sulfia machte den Versuch, mir ihre kühle Hand auf die Stirn zu legen. Ich beharrte auf einem neuen Kind. Ich sagte, Sergej könne sicher einen schönen Sohn zeugen.
    Sulfias blasse Wangen wurden leicht rot. Aber sie ging nicht auf meine Argumente ein. Sie nahm mich am Arm und führte mich die Straßeentlang. Ich ließ sie – so hatte ich mehr Gelegenheit, ihr meine Botschaft zu vermitteln. Ich war sicher: Wenn ich es nur oft genug sagte, würde irgendwas davon auch Sulfia erreichen. Ich musste nur hartnäckig sein, und das konnte ich gut.
    Sulfia öffnete meine Wohnungstür, half mir aus dem Mantel, führte mich in mein Schlafzimmer und brachte mich dazu, mich aufs Bett zu setzen. Ich begriff: Sulfia hielt mich gerade für nervenkrank. Vielleicht dachte sie, das könnte einem passieren, wenn man verlassen wird.
    »Wenn ein Mann ein Kind hat, dann läuft er nicht so schnell weg«, flüsterte ich. »Wenn der Mann halbwegs anständig ist, dann kommt er zur Besinnung. Dann ist er gebunden. Sergej lässt sein Kind sicher nicht im Stich.«
    Ich sah Sulfia an: Sie war wieder sehr blass.

[Menü]
    Sie ist ein Engel
    Sulfia kam nicht mehr dazu, meinen Vorschlag in die Tat umzusetzen. Einen Monat später rief mich Sergej an. Es war früh morgens, und ich wollte zur Arbeit aufbrechen, als er sagte, ich müsse unbedingt vorbeikommen, denn Sulfia gehe es nicht gut und er habe keine Zeit, sich um sie und Aminat zu kümmern.
    Ich nahm mir sofort ein Privattaxi. Merkwürdigerweise hatte ich, seit Kalganow inklusive seines Gehalts weg war, mehr Geld als früher – gegen alle Naturgesetze, aber angenehm.
    Sulfia lag auf der Couch im Wohnzimmer, ihr Kopf hing herunter, und ihre Haare streiften den Boden. Sie hatte sich auf den Teppich übergeben. Jetzt schnarchte sie laut. Neben der Couch lag eine Wodkaflasche, ziemlich viel war rausgelaufen. Als Erstes hob ich sie auf und stellte sie senkrecht, aber es war sowieso nichts mehr drin.
    Ich hörte ein merkwürdiges Schniefen. Aminat hatte sich unter den kleinen Beistelltisch

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