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Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche

Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche

Titel: Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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vergessen. Jetzt sah ich dem Mann, der seinen Sitz für mich geräumt hatte, direkt in die Augen. Er hatte etwas erweiterte Pupillen und eine geplatzte Ader im linken Auge. Im Bus war es dunkel, aber vielleicht war er auch schon durch meinen Anblick erregt. Ich schätzte sein Alter auf 37 bis 38 Jahre. Er trug einen Ehering, der schmal war und wahrscheinlich nicht viel gekostet hatte. Seine Fingernägel waren kurz geschnitten, was ich bei Männern begrüßte. Allerdings waren sie ziemlich schief abgeschnitten. Einem solchen Mann würde ich als Erstes den Gebrauch einer Nagelfeile beibringen.
    Ich stieg eigentlich nur aus, um ihn zu testen. Natürlich stieg er sofort nach mir aus. Der Bus war voll gewesen. Anstatt die Leute mit dem Ellbogen beiseitezuschieben, wiederholte er mit hoher Stimme: »Entschuldigen Sie bitte! Ich muss hier dringend raus! Entschuldigen Sie bitte!« Die anderen Passagiere schimpften und nannten ihn einen Trottel. Im Geiste schloss ich mich ihnen an, da zwängte er sich endlich durch die sich schließenden Bustüren.
    Ich wartete, bis er ausgestiegen war, dann begann ich, den Lenin-Prospekt langsam abzulaufen. Sofort war er an meiner Seite. Wir liefen ein paar Schritte gemeinsam. Er sagte nichts und starrte mich nur an. Ich verlor die Geduld und ging schneller. Da beschleunigte er seine Schritte, holte mich ein und legte mir die Hand auf den Ellbogen.
    »Nehmen Sie die Hand da weg!« sagte ich sanft. Er sah mich an, seine Pupillen waren jetzt stecknadelgroß, weil ihm die Sonne direkt in die Augen schien. »Sie sind die schönste Frau, die ich jemals gesehen habe«, sagte er heiser.
    Ich fand ihn charmant. Durch wenige geschickte Hinweise schaffte ich es, ihm zu vermitteln, dass es nicht unter meiner Würde war, mit ihm ein Eclair im Straßencafé zu essen. Wir setzten uns hin und sprachen über meine Schönheit und meine Meinung zu Shakespeare. Wir entdeckten erste Gemeinsamkeiten: Wir liebten beide den Frühling. Wir redeten ein bisschen über seine Ehe. Ich trank meinen Kaffee aus und spürte seinen traurigen Blick zwischen meinen Schulterblättern, als ich von ihm wegging.
    Er hatte mir gefallen. Zwei Tage später sahen wir uns wieder im Bus. Das gehörte zu den Dingen, die ich im Voraus wusste. Er strahlte, als er mich sah. Diesmal konnte er mir seinen Sitz nicht anbieten, denn er stand bereits selber und hielt sich mit einer Hand an der Stange fest. Er roch nach Seife und nur ein bisschen nach nervösem Schweiß. Als der Bus abbremste, fiel ich wie zufällig gegen ihn und hörte sein aufgeregtes Herzklopfen.
    Ich war auch aufgeregt. Ich war ja eher unerfahren, jedenfalls, was die Praxis anging. Ich schlug ihm vor, zu mir zu fahren. Er brachte überhaupt kein Wort mehr heraus.
    Klavdia war nicht da. Ich bat den Mann, in der Küche auf mich zu warten, schloss die Tür und wählte Sulfias Nummer. Ich sagte, sie solle mich in einer Stunde anrufen. Wenn ich nicht dranginge, solle sie die Miliz holen. Der Mann sah zwar harmlos aus, aber ich wollte mich absichern. Was ich an Sulfia mochte:Sie tat immer, worum man sie bat, und stellte keine überflüssigen Fragen.
    Während der Mann in der Küche wartete, ging ich in mein Schlafzimmer. Ich entschied mich dafür, mich ganz auszuziehen. Ich war wirklich sehr aus der Übung. Da brauchte ich keine nervösen fremden Finger an meinen Verschlüssen. Als ich mir die Strumpfhosen vom Bein streifte, war ich hingerissen von der Form meiner Waden. Ich frischte mein Makeup auf, schlüpfte ins Bett, zog mir die Decke bis unters Kinn und rief laut nach meinem neuen Bekannten.
    Er irrte ein wenig durch unseren langen, dunklen Flur, bis er die richtige Tür gefunden hatte. Dann trat er ein. Mein verführerisches Lächeln hatte ich zuvor vor dem Spiegel geübt. Er nahm Anlauf wie ein Weitspringer, warf sich auf mich und begann, mich zu küssen. Man merkte ihm an, dass er nicht oft fremdgegangen war. Er konnte nicht gut küssen. Seine Hände fühlten sich klebrig an.
    Meine Aufregung legte sich. Er schälte sich aus seinem Hemd und kickte gleichzeitig die Hose weg. Ich fand ihn komisch und passte auf, dass ich nicht lachte. Er warf sich erneut auf mich und klemmte mein Haar mit seinem Ellbogen ein. Ich stieß einen Schrei aus. Er hielt es für ein Zeichen meiner Ungeduld und drängte sich ans Ziel. Mein Haar war immer noch eingeklemmt. Ich hatte Sorge, dass er mich skalpieren würde. Er war fertig und rollte sich von mir herunter. Ich brachte mein Haar in Ordnung.

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