Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche

Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche

Titel: Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
Vom Netzwerk:
nahm.
    In meinem zweiten Zimmer stapelten sich prächtige Schokoladentafeln, eingeschweißte Parfumpackungen, das eine oder andere Buch, hochprozentige Getränke in Geschenkverpackungen, gusseiserne Skulpturen, Vasen, ausländische Nylonstrümpfe, ein russisch-polnisches Wörterbuch (man wusste nie, wozu man die Dinge noch brauchen würde) und ein kleines Ölbild einer Orange auf einem Holztisch (einer der Männer hatte ein Atelier).
    Natürlich war es nicht möglich, das alles vor der wachsamen Klavdia zu verbergen. Zu oft saß sie in ihrem fleckigen Bademantel teeschlürfend in der Küche, während ich gerade die Lippen einer neuenBekanntschaft schmeckte und dabei mit der Hand den Schlüssel zu meinem Zimmer in der Tasche suchte. Deswegen versuchte ich gar nicht erst, sie da rauszuhalten. Ich schenkte ihr die Parfums, die mir nicht gefielen oder die ich doppelt hatte, die meiste Schokolade (ich musste auf meine Figur achten), ein paar Nylonstrümpfe, ausländische Anstecker mit Zeichentrickfiguren und eine Kassette von einer Frau, die wie die Muttergottes hieß.
    Klavdia veränderte sich ebenfalls. Sie ließ sich eine Dauerwelle machen und lackierte sich die Nägel mit dem Lack, den ich an sie weiterverschenkt hatte. Dann wurde sie biestig zu mir, und ich begriff, was ihr fehlte.
    Ich war nicht geizig. Klavdia durfte meine abgelegten Männer haben. Nachdem ich mal wieder einen für immer verabschiedet hatte, nahm Klavdia ihn in Empfang, versorgte ihn mit Tee und Konfekt aus den Präsenten seiner Vorgänger und ließ ihn in ihrem Schoß weinen. Das nahm ihr einiges von ihrer Biestigkeit, und wir vertrugen uns wieder.

[Menü]
    Ohne mich ging gar nichts
    Eines Sonntags, mein Liebhaber war gerade aufgestanden und zog sich an, um seine Frau und seine Schwiegermutter vom Flughafen abzuholen, während ich im Bett lag und an meinem neuen Ring herumspielte, fiel mir ein, was ich die ganze Zeit vergessen hatte. Ich küsste meinen Liebhaber und schob ihn geradezu hinaus, »Du kommst noch zu spät!« sagte ich, in Wahrheit hatte ich es selber eilig.
    Ich zog eine indische Jeans und einen himmelblauen Pullover an, den ich mir selber gestrickt hatte, zog die Reißverschlüsse meiner Stiefel hoch und steckte mir die Haare mit Nadeln zu einem Knoten hoch.
    Klavdia streckte den Kopf aus ihrem Zimmer, sie sah satt aus, gestern hatte sie einen Mann gehabt.
    »Wie siehst du denn aus?« fragte sie. »Ist dir das Sperma zu Kopf gestiegen? Hast du vergessen, wie alt du bist?«
    »Im Westen«, sagte ich und zupfte meinen Pullover glatt, »tragen das alle.« Auf der Arbeit blätterte ich oft Burda Moden durch, die meine Kollegin von ihrer Nachbarin auslieh und mitbrachte. Zwar durfte ich die Hefte nicht mit nach Hause nehmen und konnte die Schnittmuster daher nicht kopieren. Aber ich merkte mir alles, was mir gefiel.
    Ich fuhr mit dem Privattaxi zu Aminat und Sulfia. Obwohl ich mir viele neue Kleider gekauft hatte, hauptsächlich von privat, hatte ich immer mehr Geld. Manchmal fand ich große Geldscheine in meiner Manteltasche.
    Ich hatte Aminat vier Wochen lang nicht gesehen, weil ich so beschäftigt gewesen war. Ich hatte nur ab und zu angerufen. Jetzt war ich plötzlich aufgeregt: Was machten sie ohne mich?
    Sulfia saß im Wohnzimmer und nähte. Und zwar nähte sie Manschetten und Kragen an Aminats Schuluniform.
    Das Schulkleid war ja braun und hatte einen Kragen und Manschetten aus weißer Spitze. Das Kleid brauchte nicht oft gewaschen zu werden, den Schmutz sah man daran nicht, außerdem trocknete es immer sehr lange. Die Manschetten wurden aber sofort schmuddelig. Jede Mutter trennte die Manschetten und den Kragen am Wochenende ab, wusch sie, trocknete, bügelte und nähte sie wieder an.
    Ich hatte es bei Aminat auch gemacht, damit sie nicht wie eine Schlampe aussah. Später zeigte ich Sulfia, wie man die Spitze annäht, und besorgte ein zweites Paar Manschetten und einen zweiten Kragen – so konnte man sie austauschen und musste sie nicht gleich waschen.
    Jetzt sah ich, wie Sulfia versuchte, die Manschetten anzunähen. Sie hielt eine große Nadel in den Fingern, und ihre Fingerkuppen waren mit roten Punkten übersät. Als ich hereinkam, stach sie sich gerade ein weiteres Mal und steckte den Finger in den Mund. Sie war so ungeschickt. Sie hielt die Manschette mit dem Daumen fest und spießte sie auf die Nadel. Schon wieder stach sie sich. Sie war doch Krankenschwester, dachte ich, jagte sie ihren Patienten auf diese Art die Nadeln

Weitere Kostenlose Bücher