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Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche

Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche

Titel: Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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Ich hatte eben den zweiten Mann meines Lebens gehabt.
    Er legte seine Arme um mich und flüsterte: »Ich liebe dich.«
    »Ich liebe dich auch«, flüsterte ich zurück.
    Ich fragte mich, wann er endlich heimgehen würde. Da klingelte das Telefon. Es war Sulfia. Ich musste drangehen, sonst hätte sie ja nach meiner Anweisung die Miliz rufen müssen. Dabei war noch nicht mal eine halbe Stunde vergangen. Nicht mal die Uhr konnte sie richtig lesen. Ich sagte zu Sulfia, dass alles in Ordnung war, und zu meinem Gast, dass meine Tochter gleich zu Besuch kommen würde.
    Er begann, seine Sachen zusammenzusuchen, rückte den Ehering zurecht und ging mit leuchtenden Augen und ausgebreiteten Armen auf mich zu.
    »Wann sehen wir uns wieder?« fragte er. Ich zuckte mit den Schultern. Er fragte mich nach meiner Telefonnummer. Ich konnte jetzt schlecht sagen, dass ich kein Telefon hatte – er hatte mich ja gerade im Flur sprechen gehört. Ich diktierte ihm eine Reihe beliebiger Ziffern, die er mit dem Kugelschreiber auf seiner Handfläche notierte. Dazu malte er eine Rose – was ich schon wieder charmant fand.
    Als er endlich gegangen war, ging ich unter die Dusche. Es war merkwürdig, nach Mann zu riechen. Ich wusch mich gründlich. Ich sprühte mich zu großzügig mit dem Parfum ein, das ich mir vor drei Monaten auf dem Basar gekauft hatte. Jetzt roch ich wie eine Kassiererin. Ich stieg erneut in die Badewanne und wusch den Geruch ab.
    Ich machte mir gerade einen Tee, als Klavdia heimkam. Sie atmete schwer, in den letzten Jahren hatte sie ihr Übergewicht um mindestens 15 weitere Kilos verstärkt. Sie ließ sich auf einen Stuhl fallen, zog meinen Teller mit den Plätzchen heran und begann, sich eins nach dem anderen in den Mund zu stopfen. Ich sah sie an und freute mich, nicht in ihrer Haut zu stecken.»Wenn du beim Essen immer so schmatzt wie Klavdia, wirst du eines Tages aussehen wie Klavdia«, sagte ich gelegentlich zu Aminat.
    »Du bist so anders«, sagte Klavdia und musterte mich von Kopf bis Fuß. Ich hatte Sorge, sie würde den Mann an mir riechen, und ging zur Sicherheit noch mal ins Bad.
    Ich war männliche Aufmerksamkeit gewohnt. Männer hatten mir schon immer hinterhergesehen. Sie hoben mir den Regenschirm auf und ließen mich in den Warteschlangen vor. Das war früher. Aber was jetzt passierte, grenzte an Zauberei.
    Ich wurde aufgehalten und um meine Telefonnummer gebeten. Mehrmals wurde mir auf der Straße spontan ein Blumenstrauß überreicht. Ich aß so oft Törtchen wie noch nie in meinem Leben. Ich konnte meine Geldbörse getrost zu Hause lassen. Fremde Männer zahlten für mich im Café, im Bus und im Lebensmittelladen und sagten, es sei ihnen eine Ehre.
    Ich konnte sie nicht alle haben. Das ging einfach nicht. Ich wollte auch nicht alle haben. Aber selbst von denen, die ich theoretisch haben wollte, konnte ich nicht alle haben. Ich musste ja noch arbeiten, essen, schlafen und telefonisch Aminats Hausaufgaben kontrollieren.
    Ich hatte ein Schema, das mir die Auswahl erleichterte. Ich schloss sofort Männer aus, die schlecht rochen und Akne oder Schnupfen hatten. Umgangsformen waren wichtig, ebenso saubere Fingernägel. In jedem Fall schickte ich die Männer, bevor sie sich zu mir ins Bett legten, ins Bad zum Händewaschen. Schließlich berührten sie intime Teile meines Körpers. Zu viel reden war ein Minuspunkt, ebenso ein verdrießlicher Blick.
    Männliche Schönheit machte mich schwach. Ich war eine Ästhetin. Ein Ehering war immer gut. So einer würde mir nicht ständig auf die Pelle rücken. Gute Kleidung – ja. Beeindruckend, weil selten. Ein eigenes Auto auch – ich begann, Männer, die Bus fuhren, automatisch auszuschließen, mit einigen Ausnahmen: Manche sahen im Bus so aus, als wäre ihr Auto gerade in Reparatur.
    Ich muss sagen, ich irrte mich selten. Ich hatte ein glückliches Händchen für Männer, die genug Gefühl hatten, um im richtigen Moment zärtlich und entschieden zu sein, aber auch Manns genug waren, um es zu akzeptieren, wenn ich sie nicht mehr sehen wollte. Es passierte gelegentlich, dass mir einer an der Bushaltestelle oder vor meiner Arbeit auflauerte, um zu fragen, warum ich mich nicht mehr mit ihm traf. Es passierte auch, dass welche weinten. Zwei nahmen sogar Schlaftabletten, wurden aber gerettet. Blumen vor der Haustür und im Briefkasten kamen auch gelegentlich vor. Anrufe kaum: Ich gab jedem sofort zu verstehen, dass ich es nicht schätzte, wenn man mein Telefon in Beschlag

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