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Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche

Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche

Titel: Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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Aminat und deutete auf ein graues Kätzchen, das auf der Handfläche eines bärtigen, nach Schnaps stinkenden Mannes lag. Es war sicher das kleinste und unscheinbarste Katzentier, das hier heute verkauft wurde.
    »Such dir eine andere aus«, sagte ich. »Diese ist zu klein, sie stirbt sofort.«
    »Nein, ich will diese«, sagte Aminat und fragte den Mann: »Was kostet diese Katze?«
    Der Bärtige bewegte seine riesige Hand und schielte Aminat an. Das Kätzchen fiel beinahe herunter, er fing es wieder auf.
    »Das ist ein reinrassiges Chinesenkurzhaar«, sagte er heiser. »Das ist eine ganz besondere Katze. Sie kostet zehn Rubel.«
    »Ach was«, sagte ich genervt. »Aminat, komm.«
    »Ich will diese«, sagte Aminat stur. Ich lief weiter, sie aber blieb stehen. Der bärtige Depp hielt ihr seine Hand hin. Aminat streichelte das winzige Kätzchen mit einem Finger, während der Bärtige auf sie einredete.
    »Schämen Sie sich«, sagte ich ungehalten.
    »Eine bessere Katze wirst du nicht finden«, sagte der Mann beschwörend in Aminats Ohr. Er hatte sich tief zu ihr heruntergebeugt. Ich sah, dass Aminat sichMühe gab, sich den Ekel über seinen Atem nicht anmerken zu lassen.
    »Diese kriegst du nicht, Aminat«, sagte ich aus der Entfernung.
    »Dann will ich gar keine«, sagte sie.
    »Aber guck mal, hier gibt es so viele hübsche.«
    »Ich will diese da.«
    »Wir könnten versuchen, eine ähnliche zu finden«, sagte ich. Ich kam ihr wirklich sehr entgegen, aber sie schüttelte nur den Kopf.
    »Diese da.«
    »Dann gehen wir jetzt heim«, sagte ich und nahm sie an der Hand, die sie mir sofort entriss.
    Wir gingen Richtung Ausgang. Ich war mit mir unzufrieden. Ich war dabei gewesen, Aminat zu verwöhnen, und das rächte sich bitter. Das hätte ich mir gleich denken können. Einem Kind Herzenswünsche erfüllen zu wollen, war tückisch. Statt Liebe und Dankbarkeit hatte ich nur Ärger geerntet. Aminat war kurz davor, in Tränen auszubrechen.
    »Halt!« hörten wir von hinten. »Tatarenweiber, bleibt stehen!«
    Der bärtige Lügner rannte in seinen gigantischen Gummistiefeln auf uns zu.
    »Beachte ihn nicht«, befahl ich, aber Aminat stellte sich breitbeinig hin und wartete, bis er uns erreicht hatte.
    »Hier«, sagte er und steckte Aminat das graue Fellknäuel in die Hände. »Sollst du haben. Umsonst.« Dann stapfte er zu seinem Auto zurück, und Aminats leuchtende Augen richteten sich triumphierend auf mich. »Hab ich nicht ein Glück, Omi? Hab ich nicht ein Wahnsinnsglück?«
    Ich schwieg. Es war eine schlechte Idee gewesen, mit ihr auf den Vogelmarkt zu gehen und sie aussuchen zu lassen. Aminat begann, die kleine Katze mit Küssen und Koseworten zu überschütten. Bis ich reagieren konnte, hatte sie sich sicher mit allen Krankheiten angesteckt, die diese Missgeburt in ihrem elenden Körper trug.
    »Halt es fern vom Gesicht!« rief ich. »Katzen sind gefährlich. Du kannst von ihnen Flecken am ganzen Körper bekommen und Würmer im Bauch.«
    Aminat hörte mir nicht mehr zu.

[Menü]
    Rosenbaum
    Die ersten Wochen wartete ich darauf, dass die kleine Katze sterben würde. Ich kannte das: Wenn mir jemand nicht gefiel, dann konnte es passieren, dass er plötzlich starb. Aber die Katze starb nicht, sie wurde nur schwer krank – kein Wunder, war sie doch zu früh von ihrer Mutter getrennt worden. Sie bekam klebrige Augen und Durchfall, und Sulfia rief panisch bei mir an.
    Im Hintergrund hörte ich Aminat schluchzen. Ich dachte erst, das Problem hätte sich schon von selbst erledigt, aber ich hatte den Überlebenswillen dieser Katze unterschätzt. Ich sagte zu Sulfia, sie müsse schon versuchen, zumindest einige Sachen eigenhändig in den Griff zu bekommen. Sulfia stimmte mir zu, entschuldigte sich und legte auf.
    Wie ich später herausfand, ging sie zum Tierarzt und ließ sich Medikamente und eine Spezialmischung zum Füttern verschreiben. Es kostete ein Vermögen. Diese Katze war zäh. Sie hörte zuerst auf, im Sterben zu liegen, später wurde sie sogar gesund. Aminat nannte die Katze Peterchen, und ich sagte immer Parasit zu ihr.
    Die Anschaffung der Katze hatte auch gute Seiten. Aminat ging nämlich aus unerfindlichen Gründen davon aus, dass Parasit immer noch mir gehörte. Ich brauchte nur noch anzudrohen, dass ich sie ihr wegnehmen würde – und schon machte Aminat alles, was ich wollte. Zudem hörte sie endlich auf, streunenden Katzen Wurstreste hinterherzutragen.
    Ich hatte gehört, dass Katzen Glück ins Haus bringen. Und

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