Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche
schärfte ich Sulfia ein.
»Ach, Mutter«, sagte Sulfia, dabei hatte genau dieses Vorgehen ihr bereits zwei Ehemänner beschert.
»Und wie ist es eigentlich«, fragte ich, »wenn so einer aus dem Koma aufwacht, kann er dann gleich reden?«
»Das ist ganz unterschiedlich, Mutter. Meistens nicht.«
»Und kann man denn gleich verstehen, ob er sich noch an die Zeit vor dem Unfall erinnern kann?«
»Allmählich, Mutter. Schwerverletzten muss man Zeit lassen.«
»Und wenn du ihm sagen würdest, du bist seine russische Verlobte, würde er dir das glauben?«
»Bitte red nicht so einen Unsinn, Mutter«, sagte Sulfia. Sie hatte keinen Respekt mehr vor mir. Sie war auch immer beschäftigt. Wir waren es gewohnt, dass warmes Wasser nur an Glückstagen aus der Leitung floss und wir es sonst auf dem Herd heiß machen mussten, ich hatte gedacht, uns könnte nichts mehr erschüttern. Aber dann kam der erste Winter seit längerer Zeit, in dem das Wasser ganz abgeschaltet wurde, immer wieder für Tage, und ich schmerzhaft spürte, wie es war, ohne Männer zu leben. Ich war noch sehr schwach, und es war meistens Sulfia, die zur Wasserstelle einen Kilometer entfernt lief und zwei volle Eimer heimbrachte, mit kleinen Schritten, darauf bedacht, keinen Tropfen zu verschütten. Zu Hause angekommen, rieb sie sich lange die Hände und das Kreuz.
Wenn ich ihr jetzt sagte, sie solle sich das Haar schön hochstecken, wenn sie zur Arbeit ging, aber eine verspielte Strähne in die Stirn fallen lassen, oder wenn ich ihr anbot, sie zu frisieren, und ihr empfahl, einen hübschen Rock unter den Kittel anzuziehen, dann sagte Sulfia überhaupt nichts mehr, sondern verdrehte nur die Augen.
An einem trüben Abend klingelte es an der Tür. Sulfia hatte Spätdienst, und Aminat war noch in der Schule.Durch den Türspion sah ich ein rundes, lachhaft verzerrtes Gesicht und eine überdimensionale Glatze. Ich riss die Tür auf und fand meinen Mann Kalganow vor, der mich vor längerer Zeit wegen einer Lehrerin für Russisch und Literatur verlassen hatte. Sein Körper war schief, was daran lag, dass er eine große Reisetasche in der Hand hielt.
»Verzeih mir, Röschen«, sagte er.
Ich trat zur Seite, um ihn in die Wohnung zu lassen. Ich war zu erstaunt. Außerdem sah seine Nase irgendwie bemitleidenswert aus. Er kam herein, stellte die Tasche auf den Boden, machte die Tür zu und drehte sich zu mir.
»Meine Liebe, ich bin jetzt wieder da«, sagte er und schloss mich zu meinem Entsetzen in die Arme.
Mir verschlug es den Atem. Er roch nach altem, ungewaschenem, krankem Mann. Ich kannte das alles nicht mehr.
Ich schob ihn mit der Hand weg. »Einen Tee?« fragte ich. Ich hatte lange keinen Besuch mehr gehabt und wollte gern wissen, welche Laus Kalganow über die Leber gelaufen war.
Er setzte sich so selbstverständlich an den Küchentisch, als wäre er hier immer noch zu Hause.
»Ich lass mich so gern von dir bedienen, Röschen«, sagte er.
»Die Zeiten sind nicht mehr so einfach«, sagte ich, bevor er auf die Idee kam, dass ich ihm jetzt Essen auftischen würde.
»Vor allem für eine alleinstehende Frau«, sagte Kalganow bedeutungsvoll, griff nach meiner Hand und führte sie zu seinen Lippen.
»Was ist in dich gefahren?«
Kalganow legte die Stirn in Falten. »Das war ein kapitaler Fehler, Röschen.Aber du warst immer so stark. Ich hätte nicht gedacht, dass du so leiden würdest.«
»Was?« fragte ich irritiert.
»Bitte tu es nie wieder, mein schönes Frauchen«, sagte Kalganow, rutschte vom Stuhl, näherte sich mir auf den Knien und legte seinen kahlen Kopf auf meinen Schoß.
Vor Überraschung hüpfte ich hoch und traf ihn mit dem Knie am Kiefer. Er ächzte und umfasste meine Beine mit beiden Armen. Ich fand das unangenehm – seine Hände auf meiner Haut. In meinen Augen hatte er den Anspruch darauf verloren, mich jederzeit begrapschen zu dürfen. Ich legte beide Hände auf den Tisch und bewegte meine Beine vorsichtig. Er klammerte sich nur noch fester an mich.
»Kalganow, setz dich wieder hin«, bat ich. »Ich will dir ins Gesicht schauen.«
Er kehrte auf seinen Stuhl zurück und sah mich schwermütig an.
»Warum hast du mir nichts gesagt?« fragte er.
»Wovon redest du um Himmels willen?«
»Dass du ohne mich nicht leben willst.«
»Ohne dich …«, wiederholte ich. »Nicht leben?«
Jetzt guckte er vertrauensvoll. »Ich weiß alles, Röschen. Unsere Tochter hat mir alles erzählt.«
»Unsere Tochter.«
»Sulfia.«
»Welche
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