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Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche

Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche

Titel: Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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sonst.«
    Kalganow trank einen Schluck von seinem Tee und schob ruckartig die Zuckerdose zu sich.
    »Bisschen bitter«, sagte er und schaufelte vier Teelöffel Zucker hinein. In mir zitterte alles – es war unser letzter Zucker, ich süßte Aminats Haferbrei damit. »Du weißt, ichhab dich in dieser ganzen Zeit nicht vergessen können.«
    »Schon klar«, sagte ich.
    »Ich hab getan, was ich konnte«, sagte Kalganow. »Ich wusste, du bist zu stolz, also hab ich es heimlich getan.«
    Ich wollte fragen, was er meinte, da fielen mir die Geldscheine in meinen Taschen wieder ein. Er hatte die ganze Zeit einen Schlüssel gehabt und war hier ein- und ausgegangen, hatte meine Schubladen und Schränke aufgefüllt, und ich hatte es gar nicht gemerkt. Mich jetzt zu bedanken, fand ich aber übertrieben.
    »Du wärest doch niemals allein gewesen«, sagte Kalganow. »Solange ich lebe, bin ich bei dir. Danach auch.«
    Ich sah ihn stumm an.
    »Jetzt bleiben wir für immer zusammen, Röschen«, sagte Kalganow. Seine Hand wanderte über den Tisch in meine Richtung. Sulfia hatte mir eine Falle gebaut.
    An diesem Abend klopfte ich mit einer Flasche Wodka an Klavdias Tür. Klavdia lag in ihrem Bett und schaute auf dem Bildschirm ihres kleinen Schwarzweißfernsehers ein Konzert, aber ohne Ton. Ich schloss die Tür und lehnte mich mit dem Rücken dagegen. Kalganow unterhielt sich unterdessen mit Aminat über ihre Noten. Sie antwortete ihm höflich und knapp – sie wusste nicht mehr genau, wer er war.
    »Was ist?« fragte Klavdia. Ich hob die Flasche in die Höhe. Klavdias Augen begannen zu glänzen.
    »Moment, Moment«, sagte sie. »Einen kleinen Augenblick. Nicht weggehen.«
    Sie nahm zwei leere Teegläser von der Fensterbank und stellte sie auf den kleinen Tisch neben dem Bett. Ich schenkte ein, wir stießen wortlos an, sie kippte dieHälfte hinunter. Ich trank einen Schluck. Der reichte, um meine Tränen zum Fließen zu bringen.
    »Er wiiiilll zu mir zurrüüüüück!« schluchzte ich, während Klavdia geschäftig nachfüllte.
    »Ach du Schreck«, sagte sie. »Wieso denn das jetzt?«
    »Er denkt, ich kann ohne ihn nicht leben.«
    »Mistkerl«, sagte Klavdia, während ich ihr von meinem Gram erzählte – dass ich nicht wusste, ob ich den Kalganow jetzt als Heimkehrer akzeptieren oder vor die Tür setzen sollte, denn vielleicht war ein Mann im Haus doch gar nicht so schlecht in diesen düsteren Zeiten. Aber mich mit ihm in ein Bett zu legen, das kam mir unerträglich vor.
    Klavdia nickte mitfühlend, ohne die Augen vom Fernsehbildschirm abzuwenden.
    »Ich kann nicht!« heulte ich, und Klavdia sagte: »Dann schmeiß ihn raus!«
    »Aber er hat mir immer Geld zugesteckt, und wir müssen so eisern sparen!«
    »Dann lass ihn da.«
    »Behalt die Flasche«, sagte ich und verließ ihr Zimmer. Ich ging ans Telefon, öffnete eine Schublade und fand den Zettel mit der Telefonnummer der Lehrerin für Russisch und Literatur, vor Jahren aufgeschrieben und seitdem kaum angerührt. Es war spät, aber auf mich nahm ja auch nie jemand Rücksicht. Ich wählte die Nummer, es wurde sofort abgenommen. Sie hatte neben dem Telefon gesessen und gewartet.
    »Hier ist Rosalinda Achmetowna«, sagte ich höflich. »Entschuldigen Sie bitte die späte Störung, aber mein Mann ist jetzt plötzlich wieder da. Haben Sie sich vielleicht gestritten?«
    Sie schwieg.
    »Können Sie mich hören?« fragte ich. »Könnten Sie ihn vielleicht abholen? Ich würde gern ins Bett gehen. Nehmen Sie sich ein Taxi, er gibt Ihnen das Geld zurück.«
    Sie legte auf. Ich wartete noch zehn Minuten und ging dann in mein Schlafzimmer. Kalganow saß in Unterhosen und Unterhemd an meinem Bettrand, als wäre er nie weg gewesen.
    »Deine Lehrerin hat angerufen«, sagte ich. »Sie kann ohne dich nicht einschlafen. Sie holt dich jetzt ab.«
    »Was?« fragte er.
    »Zieh dich an, lass sie nicht warten.«
    »Was?« fragte er wieder.
    Als sie an der Tür klingelte, hatte ich ihn gerade dazu gebracht, sich wieder anzuziehen. Ich gab ihm seine schwere Tasche und schickte ihn in den Flur. Er öffnete die Eingangstür, ich hörte das Klatschen einer Ohrfeige und Kalganows jämmerliches Ächzen. Die Tür fiel ins Schloss. Ich ging in den Flur und schloss sie gut ab.
    Am nächsten Morgen stand ich ausgeschlafen auf. Ich ging in die Küche und fand dort Sulfia vor, die am Tisch saß, den Kopf auf die gekreuzten Hände gelegt. Manchmal war sie nach der Arbeit so müde, dass sie im Sitzen einschlief.
    Ich

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