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Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche

Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche

Titel: Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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Menschen verfolgten unsere Unterhaltung mit großem Interesse. Sulfia machte es ihnen schwer, weil sie so sehr nuschelte, dass man sie kaum verstehen konnte. Dabei hatte ich ihr immer gesagt: Du musst klar und deutlich sprechen! Sie murmelte, dass ich ihr das Kind entfremdet habe. Dass ich sie immer gequält habe. Dass sie so glücklich sei, meiner Tyrannie (»Tyrannei«, verbesserte ich) endlich entkommen zu sein. Dass sie lieber unter einer Brücke leben würde als unter einem Dach mit mir.
    »WO IST AMINAT?« erhob ich meine Stimme noch ein wenig.
    Sulfia redete wie von Sinnen: Sie sei die Mutter ihrer Tochter, sie würde mich sowieso nicht kennen, sehe mich zum ersten Mal in ihrem Leben, sie habe keine Ahnung, wer ich sei, ich solle sofort verschwinden, ich dürfe mich ihr und dem Kind nicht nähern, es reiche schon, dass ich ihr Leben kaputt gemacht habe.
    »Du hast einen Mann gefunden!« begriff ich, jetzt erst recht überrascht. Die kranken Menschen reckten die Hälse, und einer pfiff anerkennend.
    »Endlich!« rief ich aus. »Gut, aber wo ist Aminat?«
    Da riss sich Sulfia los, öffnete ihren schiefen Mund zu einem unregelmäßigen Oval und schrie: »Hilfe! Sie will mich umbringen!«
    Überrascht gab ich ihren Ärmel frei.
    Sulfia unterbrach ihr heiseres Gepiepse und rannte los. Ich sah ihr hinterher. Ich hätte jetzt hochgehen, ihre Station suchen und ihre Kollegen nach der neuen Adresse fragen können. Aber wer weiß, was Sulfia, hinterhältig wie sie war, ihnen über mich erzählt hatte. Ich steckte mein Haar mit vier Haarnadeln zu einem seriösen Knoten hoch und setzte mich langsam in Bewegung.
    Meine dumme Tochter lief voran und ich ihr hinterher. Ihr blauer Mantel wies mir die Richtung. Als sie in die Straßenbahn kletterte, stieg ich in den zweiten Waggon. Sie merkte wie immer gar nichts. Ich sah durch die Waggonfenster, wie sie mit krummem Rücken und stumpfem Blick auf ihrem Sitz hockte.
    Nach ein paar Haltestellen schreckte sie hoch und stieg aus, ich sprang hinterher.
    Ich lief noch ein paar Schritte. Dann bog sie ab und betrat durch eine quietschende Tür einen Betonblock. Ich erkannte ihn sofort. Es war das Wohnheim für die medizinischen Fachkräfte aus der Provinz, die in unsere Stadt gekommen waren, um Arbeit und vor allem einen Mann zu finden. Hierhin war Sulfia also gezogen, und das war kein Wunder. Auch ein klügerer Mensch hätte in so kurzer Zeit keine Wohnung in unserer Stadt finden können,und Sulfia war nicht klug, nicht einmal schlau, sie war eine Gefahr für sich und andere. Aber sie war eben eine halbe Krankenschwester, und irgendjemand hatte sich offenbar erbarmt und ihr ein Bett zugewiesen. Irgendwo in dieser stinkenden Bude war also auch mein geliebtes Enkelkind.
    Ich fragte die Frau, die den Eingang bewachte, nach Sulfia Kalganowas Zimmernummer. Ich sagte, Sulfia habe ein Kind entführt. Die Frau brachte mich bereitwillig ans Ziel, viele Treppen hoch, lange dunkle Flure entlang. Unterwegs erzählte sie mir viele Geschichten aus ihrem verhunzten Leben, die ich halbherzig kommentierte, damit sie mir nicht absprang.
    Das Zimmer war klein und dreckig, und Aminat saß im Gitterbett und sah mir entgegen. Das Gesichtchen und der ganze Körper waren mit grünen Flecken übersät. Sie hatte Windpocken, das erkannte ich sofort, ich kannte mich mit Kinderkrankheiten aus wie mit den meisten Sachen auf dieser Welt. Sulfia saß auf dem Bett und hatte ihr Gesicht mit den Händen bedeckt, dabei zitterten ihre Schultern, und alles nur, weil sie auf ihre Mutter nicht gehört hatte.
    Als Aminat mich sah, packte sie mit beiden Händchen die Gitterstäbe und rüttelte daran. Sulfia sprang entsetzt auf, aber ich schob sie weg. Sie stieß gegen meinen Ellbogen und stürzte zur Seite, so ungeschickt war sie.
    Ich zog mein kleines Mädchen aus dem Bett, griff mir die schmuddelige Bettdecke und wickelte sie um das Kind. Aminat umklammerte meinen Hals.
    Ich trug mein wertvolles Bündel aus dem Höllenhaus, winkte mir ein Privattaxi heran und fuhr nach Hause. Eine Großmutter, die gerade ihr Enkelkind gerettet hatte.
    Ich hatte überhaupt nichts gegen meine Tochter Sulfia. Ich lebte gern im vollen Familienverband in unseren zwei Zimmern. Reife Eltern, junge, unerfahrene Tochter, kleine Enkelin, das passte alles gut zusammen. Ich war grundsätzlich großzügig, ich schätzte den Austausch zwischen den Generationen. Es machte mir nichts aus, Sulfia bei der Erziehung meiner Enkelin zu unterstützen und sie

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