Die Schandmaske
Gott! Sie haben meine Mutter getötet.« Sie öffnete ihren Mund, um zu schreien, brachte aber nur einen unartikulierten, erstickten Laut hervor, als der Druck auf ihre Kehle sich verstärkte.
»Es tut mir leid, wenn ich schwer von Begriff war«, sagte Cooper in entschuldigendem Ton, »aber ich verstehe nicht ganz, wie James Gillespie Sie dazu bringen konnte, ihm mehr als zehntausend Pfund zu bezahlen. Wenn Sie bereits von der Affäre Ihres Mannes wussten -« Er brach ab. »Es hat ja wohl mit der Schwangerschaft zu tun? Wussten Sie davon nichts?«
Sie press te die Lippen aufeinander, um nicht in Tränen auszubrechen. »Doch, ich wusste davon. Aber Paul wusste nichts davon und hat auch nie davon erfahren.« Wieder seufzte sie tief. »Es ist furchtbar. Ich habe es solange verheimlicht. Immer wieder wollte ich es ihm sagen, aber nie war der richtige Zeitpunkt. Ähnlich wie bei der Lüge, die ich Ihrem Constable erzählt habe. Wann ist der richtige Moment, um reinen Tisch zu machen?« Ihr Gesicht verriet Verzweiflung. »Vater werden - das war das einzige, was er sich sein Leben lang gewünscht hat. Ich habe darum gebetet, dass ich schwanger werden würde, aber es hat nichts geholfen ...«
Cooper legte tr östend seine große Hand auf die ihre. Er war völlig ratlos, wollte sie aber auch nicht zu sehr bedrängen, weil er fürchtete, dass sie dann überhaupt nichts mehr sagen würde.
»Wieso wussten Sie von der Schwangerschaft, wenn Ihr Mann davon keine Ahnung hatte?«
»Mathilda hat es mir gesagt. Sie hat mich angerufen und gebeten, nach London zu kommen. Sie sagte, wenn ich nicht käme, würde sie dafür sorgen, dass ganz Fontwell von ihrer Affäre mit Paul erfährt. Er hatte ihr Briefe geschrieben, und sie sagte, sie würde sie an die Öffentlichkeit bringen, wenn ich nicht täte, was sie von mir verlangte.«
»Und was verlangte sie von Ihnen?«
Es dauerte einen Moment, ehe sie weitersprechen konnte. »Sie verlangte von mir, ihr zu helfen, das Kind gleich nach der Geburt zu töten.«
»Mein Gott!« sagte Cooper entsetzt. Und Jane Marriott musste es getan haben, sonst hätte James Gillespie sie nicht erpressen können.
Drau ßen auf dem Kies knirschten Schritte, dann läutete es. »Joanna!« rief Violet mit schriller, nervöser Stimme. »Joanna! Alles in Ordnung, Kind? Ich dachte, ich hätte was gehört.« Als sie keine Antwort erhielt, rief sie von neuem. »Ist jemand bei dir? Bitte antworte mir!« Ihre Stimme wurde noch schriller. »Duncan! Duncan!« rief sie. »Ich hab doch gewusst, dass da was nicht stimmt. Du musst die Polizei rufen. Ich gehe Hilfe holen.« Sie hörten sie zum Tor laufen.
Jack blickte Joanna in das angespannte und gequ älte Gesicht, dann drückte er sie mit überraschender Behutsamkeit in den nächsten Sessel. »Sie verdienen es nicht, aber Sie hatten mehr Glück als Ihre Mutter«, war alles, was er sagte, ehe er in Richtung zur Küche und zur Hintertür davonging.
Joanna Lascelles schrie immer noch, als Duncan Orloff in h öchster Panik mit einem Vorschlaghammer die Haustür sprengte, um sich dem zu stellen, was ihn im Cedar House erwartete.
»Und haben Sie ihr geholfen?« fragte Cooper mit einer Ruhe, die seinen wahren Gefühlen widersprach.
Sie sah ihn verzweifelt an. »Ich weiß es nicht - ich weiß nicht, was sie tat - ich kann nur raten.« Sie schluchzte trocken. »Sie hat nichts Direktes gesagt. Sie hat mich nur gebeten, aus der Praxis meines Vaters Schlaftabletten zu stehlen - Barbiturate. Sie behauptete, sie wolle sie für sich haben, weil sie nicht schlafen konnte. Ich hoffte - ich dachte - sie wollte sich umbringen - und ich war froh darüber. Zu dieser Zeit habe ich sie schon gehasst.«
»Sie haben ihr also die Tabletten besorgt?«
»Ja.«
»Aber sie hat sich nicht umgebracht?«
»Nein.«
»Aber Sie haben doch eben gesagt, sie habe verlangt, dass Sie ihr helfen, das Kind zu töten.«
»Das habe ich auch zehn Jahre später geglaubt.« Die lange zurückgehaltenen Tränen quollen unter ihren geschlossenen Lidern hervor. »Sie hatte doch nur Joanna. Es war, als hätte das andere Kind nie existiert. Und ich glaubte, es hätte nie existiert.« Sie hielt sich mit zitternder Hand den Kopf. »Ich glaubte, ich hätte ihr geholfen, es zu töten - und als wir dann in Hongkong waren, fragte James mich mehrmals, wie Gerald sich mit Barbituraten das Leben nehmen konnte, wenn sich doch jeder Arzt geweigert hätte, ihm so etwas zu verschreiben. In dem Moment wurde mir klar, dass sie
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