Die Schanz
wahrscheinlich war kein Rum im Haus.
Auch Peter Cox und Ackermann hatten nicht die Ruhe gehabt, um fünf Uhr Feierabend zu machen. Peter war noch einmal nach Schenkenschanz gefahren, hatte Boumas Papiere und Fotos in Kartons gepackt und ins Präsidium gebracht, danach hatte er angefangen, die Tagebücher zu lesen. Er würde in den nächsten Tagen im Büro bleiben müssen für den Fall, dass sich jemand auf ihren Zeitungsaufruf meldete, aber das stimmte ihn eher heiter – er hatte seine Papiere, und er war immer noch auf der Suche nach der Tatwaffe.
Toppe schälte sich aus Mantel und Pullover und ging in die Küche. Am Kühlschrank klebte eine Nachricht von Astrid: Essen steht in der Mikrowelle, im Topf auf dem Herd ist Glühwein. Ich habe das Himmelbett bestellt, es wird Montag geliefert.
Verflixt, der Fußboden in ihrem neuen Schlafzimmer war immer noch nicht fertig verlegt! Hoffentlich kam er am Wochenende dazu, sonst musste er Arend um Hilfe bitten, oder er konnte Ackermann fragen, der kannte mit Sicherheit jemanden, der solche Arbeiten nebenbei machte.
Ein kleines PS auf Astrids Zettel: Weck mich ruhig, wenn du wieder da bist – ich habe Sehnsucht. Er lächelte und schaltete die Herdplatte ein – Glühwein war eine gute Idee, aber Hunger hatte er keinen. Er holte den Nudelauflauf aus der Mikrowelle und stellte ihn in den Kühlschrank.
Ackermann war überhaupt nicht zu bremsen gewesen. Zuerst hatte er einen Freund beim Segelclub angerufen und dafür gesorgt, dass morgen Vormittag Boumas Boot aus dem Wasser geholt wurde, nachdem Ackermann es zusammen mit van Gemmern gründlich untersucht hatte. Danach hatte er sich mit Wim Lowenstijn in einer Kneipe verabredet, weil er dem alles «ausse Nase ziehen» wollte, was er über Bouma wusste.
Der Glühwein dampfte, er duftete süß und stark, also musste wohl doch Rum im Haus gewesen sein, unter Arends Vorräten vermutlich. Toppe goss einen großen Becher voll und nahm ihn mit vor den Kamin.
Er selbst war schließlich doch noch zu Mieke Bouma gefahren. Am Telefon war sie gefasst gewesen, hatte nur sehr traurig geklungen. Die Polizistin, die ihr die Todesnachricht überbracht hatte, war bei ihr geblieben, bis eine Freundin sich um sie kümmern konnte. Sie war sogar ganz froh gewesen, dass Toppe sie heute noch besuchen wollte. «Es ist besser, über ihn zu sprechen, als nur nachzudenken.»
Ihr Appartement in der Nähe der Universität war nicht viel größer als eine Puppenstube, es gab keinen Platz für ein Kind. Die Freundin ging, als Toppe kam, sie würde später noch einmal vorbeischauen. Mieke Bouma hatte ihrem Vater nicht sehr nahe gestanden. Er war ein in sich gekehrter Mann gewesen, der seine Prinzipien gehabt hatte und für den es selbstverständlich gewesen war, dass jeder seine Pflichten erfüllte, aber sie konnte nicht behaupten, dass er übermäßig streng mit ihr gewesen war. Für ihn war es keine Frage gewesen, dass er in der Familie das Sagen gehabt hatte. Ihre Mutter hatte sich nicht dagegen aufgelehnt, sondern seine Autorität mit einem Augenzwinkern hingenommen. Sein Beruf sei ihm wichtig gewesen, natürlich, sonst hätte er bestimmt keine solche Karriere gemacht. «Aber wenn er zu Hause war, gab es nur die Familie, wenn er gearbeitet hat, nur seine Arbeit.» Er sei viel im Ausland gewesen, ja, auch bei den Blauhelmtruppen im früheren Jugoslawien, 1995 musste das gewesen sein, kurz bevor ihre Mutter so krank geworden war. Nein, sie könne sich überhaupt nicht erklären, warum es keine schriftlichen Zeugnisse seines Berufslebens gab. «Aber ich weiß auch nichts über diese Dinge. Papa hatte immer ein Arbeitszimmer, und dort wollte er mich nicht haben.» Als Toppe ihr von den Tagebüchern erzählte, verlor sie zum ersten Mal die Fassung. «Wie konnte er mir das verschweigen? Wieso hat er sie mir nicht gezeigt? Ich habe meine Mutter so sehr geliebt, wir waren wie Schwestern. Das wusste er doch!» Aber sie hatte sich schnell wieder gefangen und ihm weiter besonnen geantwortet. Auch Toppes Frage, ob Bouma normalerweise seine Schlüssel in der Hosen- oder Jackentasche getragen hatte, erstaunte sie nicht sonderlich. «Nein, er wollte immer alles zusammen haben, deshalb hat er sich vor Jahren eine von diesen Herrenhandtaschen gekauft, eine, die man so ans Handgelenk hängt. Ein hässliches altes Ding aus kariertem Stoff. Da hatte er immer alles drin, Schlüssel, Wagenpapiere, auch seine Geldbörse.»
Toppe streckte die Beine aus und legte den
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