Die Schanz
Kopf an die Sessellehne – der Glühwein tat seine Wirkung. Dellmann hatte ihm dreist ins Gesicht gelogen. Natürlich wusste er von den Anschlägen auf Bouma. Das ganze Dorf wusste davon. Wenn Lowenstijn die Daten der verschiedenen Anschläge hatte, konnte er versuchen, die Alibis der Bauern zu überprüfen. Es würde nicht leicht werden, einige Anschläge lagen etliche Monate zurück, aber wenn er hartnäckig blieb, würden sie sich in ihren Aussagen vielleicht in Widersprüche verwickeln. Innerhalb der letzten sechsundzwanzig Monate hatte Bouma vierzehn Anzeigen gegen immer dieselben Bauern erstattet: Paul Dellmann, Heinz Ingenhaag und Jörg Unkrig. Jedes Mal waren Geldbußen zwischen 300 und 1000 Euro verhängt worden, und Dellmann hatte in einem Fall sogar 7000 Euro bezahlen müssen.
Ackermann hatte Recht. Die Anschläge, gut und schön, aber erschoss man jemanden, weil er ein Querulant war? Wenn morgen die Zeitung erschien, würden die Schänzer wissen, dass Bouma Dellmanns Häckslerleiche war.
Toppe merkte, dass ihm die Augen zufielen. Er musste nach Den Helder fahren und sich in Boumas Ferienhaus umsehen … keine Erinnerungen an Boumas Berufsleben. Hatte er sie vernichtet? Warum? … Den Helder … «Auch wenn ich meinen Vater nicht oft gesehen habe, es ist kein gutes Gefühl, keine Eltern mehr zu haben» … Schenkenschanz … «Das haben wir hier nicht so gerne …»
«Helmut, hej!»
Er fuhr hoch und prallte mit der Stirn gegen Astrids Kinn.
«Autsch! Du bist eingeschlafen.»
«Entschuldige.» Er zog sie auf seinen Schoß. «Tut es weh?»
«Nein, gar nicht», raunte sie und küsste ihn. Sie trug nichts außer einem grob gestrickten blauen Pullover. «Willst du erzählen?»
Er schüttelte den Kopf. «Zu müde.»
Sie küsste ihn ausgiebiger, führte seine Hand unter ihren Pulli. «Zu müde für alles?»
Er stöhnte wohlig, zwang sich dann aber, die Augen zu öffnen. «Du bist … indisponiert!»
«Och, es gibt immer eine Möglichkeit …»
Cox hatte bis nach Mitternacht in den Tagebüchern gelesen, aber nichts finden können, was für die Polizei von Interesse war. «Wir sollten sie der Tochter übergeben, für die sind sie sicher sehr wichtig.»
«Ja», sagte Toppe. «Ich werde mir wohl morgen Boumas Ferienhaus ansehen, wenn sich das mit den Kollegen in Den Helder abstimmen lässt. Dann kann ich auf dem Weg dorthin bei Mieke Bouma vorbeifahren.»
«Übrigens, Bouma ist vor zwei Jahren in den örtlichen NABU eingetreten und hat sich im Juli sogar in den Vorstand wählen lassen. Er scheint da ganz schön aktiv gewesen zu sein. Aber das ist noch nicht alles, er war auch ehrenamtlich in der Begegnungsstätte für Obdachlose tätig. Ich habe die eben angerufen. Er betreute dort regelmäßig den Mittagstisch, und er hatte auch mehrere Schützlinge, denen er bei der Lebensbewältigung half, wie die das so schön nannten. Der Typ ist irgendwie skurril. Ich meine, ich habe mir einen Oberst a. D. immer anders vorgestellt.»
«Ich weiß nicht», sagte Toppe. «Seine Frau spricht von seinem Pflichtbewusstsein, seine Tochter von seinen Prinzipien, Lowenstijn nennt ihn ein Großmaul, und die Leute in Schenkenschanz sagen, Bouma sei ein bekloppter Besserwisser gewesen und habe sich in Sachen eingemischt, von denen er keine Ahnung hatte. Auf eine gewisse Art passt das doch alles zusammen.» Er rückte die Tastatur zurecht. «Wie auch immer, ich schreibe jetzt schnell das Protokoll von meinem Gespräch mit Mieke.»
«Ich habe Ackermann heute noch nicht gesehen», meinte Cox gedehnt.
«Der ist direkt zu Boumas Boot gefahren. Ich will auch gleich noch hin.»
An der Briener Schleuse kam ihm ein schwarzer Mercedes entgegen, der einen Trailer mit einem Holzboot zog. Ackermann wartete im Auto am Anleger. Der Motor lief, die Scheiben waren beschlagen.
«Ich will mir ja nich’ ’n Arsch abfrieren», erklärte er. «Van Gemmern hat sich schon wieder vom Acker gemacht. Fehlanzeige! Auf dem Boot gab et nix zu finden. Ich dacht’ immer, Bouma hätt ’n größeres Schätzken mit Kajüte. Is’ aber bloß ’ne BM-Jolle. Ich mein, ’n feines Boot ohne Frage, bloß, groß wat drauf verstecken kann man nich’. Un’ da drauf is’ auch keiner erschossen worden. Hätt ja sein können, oder? Hatte dat Boot bei sich am Steiger liegen, is’ mit seine Schlüssel un’ alles auf et Wasser raus – un’ mit seinem Mörder. Aber leider, wie gesagt, keine Spuren.»
Ackermann hatte den Kneipenabend
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