Die scharlachrote Spionin
Tagen war er alles andere als gelöst.
Was hatte ihn nur zu dem merkwürdigen Angebot getrieben, der Contessa zu helfen? Sie hatte recht. Es war absurd, sich ihn als Einbrecher vorzustellen - obwohl er in Wahrheit mehr als nur ein Haus kannte, in dem gestohlene Waren gelagert wurden. Und das galt nicht nur für Freunde in den niederen Kreisen der Gesellschaft, sondern auch ganz oben an der Spitze.
Warum nur zerbrach er sich so leidenschaftlich den Kopf über Sofia? Schwer zu erklären, selbst für ihn persönlich. Sie besaß unbändigen Mut und eine Überzeugungskraft, die er überaus bewundernswert fand - im Unterschied zu seiner eigenen Ziellosigkeit, zu der Tatsache, dass er sich einfach treiben ließ und außer gelegentlichen Vergnügungen keinen echten Zweck in seinem Leben verfolgte.
Unruhig rutschte Osborne im Sessel des Lesezimmers hin und her, versuchte, sich auf die jüngsten Nachrichten von der östlichen Kriegsfront zu konzentrieren. Schließlich trank er sein Glas leer und warf die Zeitung beiseite.
»Aye, die Nachrichten sind schlimm genug, um einen Mann einen starken Drink nehmen zu lassen.« Colonel Edwards, ein Adjutant aus General Burrands Truppe, hob den Blick von seinem Magazin. »Scheint so, als besäße Kutusov genauso wenig Rückgrat wie der Rest der russischen Offiziere. Bonaparte speist jetzt im Kreml zu Abend. Wenn es so weitergeht, wird er in vier Wochen auf den Kanälen von St. Petersburg Schlittschuh laufen.«
Osbornes Stimmung befand sich am Tiefpunkt, weshalb er nur nickte und hoffte, eine langatmige Debatte über militärische Taktik vermeiden zu können.
»Der Zar braucht nichts anderes als ein paar Offiziere, die es wagen, dem kleinen Korsaren unerschrocken entgegenzutreten.«
»Wie wahr.« Schweigend gab Osborne dem Diener das Zeichen, ihm Spazierstock und Handschuhe zu bringen.
»Jemanden mit dem Mut und der Tapferkeit, sagen wir, Ihres Freundes Lord Kirtland.« Edwards schürzte die Lippen. »Ist er eigentlich schon von seiner Hochzeitsreise nach Italien zurückgekehrt? Ich möchte ihn bitten, einige Berichte zu lesen, die ich über die Halbinsel erhalten habe.«
»Nein, er ist noch nicht zurück.« Osborne hatte sich schon halb aus dem Sessel erhoben, sackte jetzt aber zurück. »Sagen Sie, Edwards, erinnern Sie sich zufällig an den Namen von Kirtlands Braut?« Damals, als sein Freund so plötzlich geheiratet hatte, hatte er sich in Schottland aufgehalten und herzlich wenig über die Einzelheiten erfahren. Außerdem hatte Kirtland schon immer recht zurückgezogen gelebt; seine Briefe gaben noch weniger preis. Bevor er in Richtung Kontinent aufgebrochen war, hatte der Earl nur eine einzige, noch dazu wahnsinnig kurze Nachricht zu Osbornes Anwesen bringen lassen - Verheiratet. Alles Weitere nach meiner Rückkehr aus Italien.
»Äh ...« Der Colonel tippte sich ans Kinn. »Irgendein Städtename ... ah, ja, Siena. So hieß sie.«
Siena. Osborne nickte. »Familienname?«
»Keine Ahnung. Glaube nicht, dass er jemals erwähnt worden ist.«
»Macht nichts.« Diesmal stand er wirklich auf. »Nur eins noch: Mir ist eine Nachricht überbracht worden, die ich an Lord Lynsley weiterleiten soll. Unwahrscheinlich, ihn heute Abend hier zu treffen. Wissen Sie vielleicht, wo er wohnt? Es sieht nicht so aus, als würde das Haus der Familie am Grosvenor Square genutzt.«
Der Colonel ließ den Blick schweifen, bevor er antwortete. »Der Marquis zieht die ruhigeren Stadtviertel vor, sofern er sich in London aufhält. Ich weiß, dass Sie mit Fenimore an der preußischen Angelegenheit gearbeitet haben, und daher wage ich die Behauptung, dass man Ihnen solche Informationen anvertrauen darf.« Er senkte die Stimme noch mehr, murmelte die Adresse einer ruhigen Seitenstraße abseits des Dorset Square.
»Ich danke Ihnen.«
Kurz darauf drängte Osborne sich an einem erschrockenen Lakaien vorbei. »Es ist mir völlig gleichgültig, ob er gerade mit dem Prinzregenten beim Tee sitzt oder mit der Prinzessin von Saba im Bett liegt! Richten Sie Lynsley aus, dass ich ihn sprechen will.« Er warf seinen Hut auf die Ablage. »SOFORT.«
»Warum schreien Sie, Osborne?« Der Marquis tauchte am oberen Ende der Treppe auf. »Kommen Sie hoch.«
Osborne legte den Übermantel ab und nahm zwei Stufen auf einmal.
Lynsley führte ihn in ein kleines Arbeitszimmer.
Das Zimmer wirkte bequem und gemütlich. Auf dem großen Schreibtisch aus Birnbaumholz türmten sich die Bücher und amtlich aussehende
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