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Die Schatten der Vergangenheit

Die Schatten der Vergangenheit

Titel: Die Schatten der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corrine Jackson
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für irgendein Mädchen, dem es völlig schnuppe ist, ob es lebt oder stirbt, alles aufs Spiel gesetzt?«
    Lucy bebte vor Wut, sodass ich Angst bekam, sie könnte ausrasten. Ich wollte eine Hand auf ihren Arm legen, aber sie schüttelte mich ab. Dann stand sie auf und ging Richtung Badezimmertür.
    »Weißt du, manchmal kannst du echt selbstsüchtig sein. Denkst du denn überhaupt nicht daran, was du uns damit antätest, wenn du dich mal nicht mehr heilen könntest?«
    »Luce, du verstehst nicht …«
    »Verstehen? Was denn? Dass du Fremde denen vorziehst, die dich lieben? Ich habe kein Problem damit, das Offensichtliche zu kapieren. Du verstehst es einfach nicht!«
    Sie schloss die Tür mit einem festen Ruck. Ich wollte schreien, dass sie nicht fair war. So funktionierten meine Fähigkeiten nun mal nicht. Ich tat es aber nicht, weil ich die Erinnerung an ihren verletzten Gesichtsausdruck nicht aus dem Gedächtnis löschen konnte.
    Und ich konnte nicht leugnen, dass ich ihn verursacht hatte.



Mit großer dunkler Sonnenbrille betrat ich das Clover Café, gleich nachdem es geöffnet hatte. Ein Deckenventilator drehte sich bedächtig, doch durch den frühen Sommereinbruch herrschte in dem Raum trotzdem eine Gluthitze. Ein geeister Café Mokka mit einem doppelten Schuss Espresso hatte eigentlich immer geholfen, meine blank gelegten Nerven zu beruhigen, und so sog ich mehr verzweifelt als erleichtert an dem Strohhalm. Auch der Ausblick auf die Bucht bot normalerweise Trost.
    Als mich Ben zu sich geholt hatte, hatte ich eigentlich nur wieder abhauen wollen. Aber dann hatte diese kleine Stadt irgendwie mein Herz erobert. Gesäumt von Wäldern schmiegte sich Blackwell Falls an den Atlantischen Ozean. Im Hafen draußen wirkten die Segel- und Fischerboote wie Tupfen auf dem Wasser. Oben auf den Klippen lagen versprengt Häuser, unter denen sich die Blackwell-Villa am meisten hervorhob.
    Anfangs hatte ich Ashers Haus mit seinen Rosengärten und kunstvollen Türmchen für ein Hotel gehalten. Als ich ihm das erzählte, hatte er gelacht. Er, sein Bruder und Lottie besaßen das Haus schon, seitdem sie Blackwell Falls Ende des 19. Jahrhundertsgegründet und die Papiermühle eröffnet hatten. Das Gemälde von Bürgermeister Gabriel Blackwell im Rathaus hielt jeder für einen lang verstorbenen Vorfahren der Familie, eine Tatsache, die bei Asher und seinen Geschwistern immer für große Heiterkeit sorgte.
    Die Blackwells hielten sich jeweils nur rund zehn Jahre in der Stadt auf. Wenn es augenscheinlich wurde, dass sie nicht alterten, zogen sie weg und vererbten ihren Besitz entfernten »Cousinen und Cousins«. Diese kehrten schließlich zurück, wobei sich Gabriel als Vormund seiner jüngeren Geschwister ausgab. Die Masche funktionierte, da niemand, der halbwegs bei Verstand war, sie für Unsterbliche gehalten hätte.
    Ich seufzte. Heute konnte der Ausblick meine Laune nicht heben.
    Lucy hatte in der Früh kein Wort mit mir gewechselt. Sie hatte mir noch nie zuvor die kalte Schulter gezeigt, selbst damals nicht, als sie wegen Ashers Ruf als Playboy dagegen war, dass ich mich mit ihm traf, oder als sie alles über meine Geheimnisse herausgefunden hatte. Es brachte mich schier um, ihr wehzutun.
    Trotzdem … dass mir immer alle sagen wollten, wann und wo ich meine Fähigkeiten einzusetzen hatte, ging mir mächtig gegen den Strich. Schließlich hatte ich mir weder das Heilerinnendasein ausgesucht, noch konnte ich mein Blut austauschen. Nicht, um es einem von ihnen recht zu machen. Nicht, um mich zu retten. Als sich meine Heilkräfte entwickelt hatten, war ich völlig entsetzt gewesen. Und ich war so allein. Mein einziger Trost war gewesen, dass ich damit Gutes tun konnte. Ein Vermächtnis meiner Großmutter, auch wenn ich das erst kürzlich herausgefunden hatte.
    Wenn sich jemand verletzte, dann heilte ich ihn. Das war die eine unumstößliche Sache, die ich über mich wusste. Ichhalf, wo ich konnte. Heilte, wen ich konnte. Keine Fragen, keine Beurteilungen. Ich kapierte nicht, was daran so schwer zu verstehen war. Lucy und Asher taten so, als würde ich meine Kräfte bewusst einsetzen, um ihnen wehzutun.
    »Na, geht’s dir wieder besser?«
    Brandon stand an meinem Tisch, seine braunen Stachelhaare wilder als gewöhnlich und auf einer Kopfseite abgeflacht, als hätte er darauf geschlafen. Irgendwie erinnerte er mich immer daran, dass ich in Brooklyn aufgewachsen war. Durch sein cooles Aussehen hatte ich mich auf Anhieb zu ihm

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