Die Schatten der Vergangenheit
bleiben. Sag ihnen, ich wäre weggelaufen. Was immer du erzählst, erzähl ihnen nicht die Wahrheit darüber, wie ich ums Le…«
»Wag’s nicht, es auszusprechen«, stieß Asher hervor. »Du wirst nicht sterben!«
»Schsch …«
Ich fand sein Gesicht und näherte mich ihm, bis ich ihn küssen konnte. Er überraschte mich, indem er den Kuss leidenschaftlicher erwiderte als jemals zuvor. Ich konnte nicht in ihnhineinschauen, aber ich spürte seinen Zorn darüber, dass er nicht in der Lage war, mich zu retten. Und gleichzeitig spürte ich seine Trauer und seine Liebe zu mir. Ich berührte seine Wangen, und meine Finger strichen über seine feuchte Haut.
Was auch immer geschah, wenn die Beschützer die Tür zu unserem Gefängnis öffneten, die Chancen, dass ich es lebend nach Hause schaffte, standen schlecht. Das wusste auch Asher. An jedem gemeinsam verbrachten Tag hatte ich ihn wieder ein bisschen sterblicher gemacht. Was, wenn ich ihn völlig heilen konnte? Wir hatten das nie versucht, weil das für mich gefährlich werden konnte, aber wenn ich schon sterben musste, dann doch bitte zu meinen Bedingungen, indem ich etwas tat, das ich tun wollte – Asher wieder menschlich machen. Das war etwas, wovon wir beide geträumt hatten. Vielleicht war es an der Zeit, es darauf ankommen zu lassen.
Mit dem Gedanken, meinen Plan in die Tat umzusetzen, wollte ich ihn wieder küssen, aber er drehte den Kopf weg.
»Nie im Leben geben wir jetzt auf«, sagte er. »Nicht nach allem, was wir durchgemacht haben. Du wirst nicht dein Leben für mich lassen. Hast du mich verstanden?«
Ich stellte mir vor, wie er mich mit seinen dunkelgrünen Augen anfunkelte. Frustriert ließ ich die Hände in den Schoß fallen. »Manchmal hasse ich es wirklich, dass du meine Gedanken lesen kannst!«
»Ich gar nicht. Bin ja froh, dass ich wenigstens auf diese Weise mitkriege, was dir gerade wieder für ein Unsinn im Kopf herumspukt!«
»Okay, was tun wir also? Einfach nur herumsitzen und darauf warten, dass sie zurückkommen?«
»Ich habe eine Idee, aber sie wird dir nicht gefallen.«
»Was denn?«
Ich spürte, wie er sich neben mir bewegte, bis er kniete. Erschien sich in eine bessere Position bringen zu wollen, aber wozu? Er hatte schon vergeblich versucht, die Handschellen auseinanderzupressen. Ich hörte, wie er tief durchatmete, so wie ich es tat, wenn ich wusste, ich würde gleich etwas tun, das höllisch wehtat. Dann hörte ich, wie er sich bewegte, dazu Kettengerassel, gefolgt von einem gedämpften Stöhnen. Eine Sekunde darauf fiel er nach vorn auf den Boden und gegen die Ziegelwand klirrte Metall.
Irgendwie hatte er sich befreit. Ich griff nach ihm, aber er schrie: »Nein, verdammt! Rühr mich nicht an!«
Meine Hand schwebte über ihm, in der Bewegung erstarrt. Zuerst dachte ich, er wäre wütend, und ich brauchte einen Augenblick, bis ich begriff, dass Schmerz seine Stimme geschärft hatte. Asher wollte nicht, dass ich ihn berührte und absorbierte, was immer er mit sich gemacht hatte.
Wie hatte er sich befreit?
Ich fuhr mit einer Hand die Wand entlang, bis ich die Handschellen fand. Sie waren unbeschädigt, noch immer verschlossen. Er hatte die Handschellen nicht zerbrochen, und das bedeutete …
»Bist du wahnsinnig?«, schrie ich. Er hatte sich die Hände gebrochen, um sie von den Handschellen zu befreien. »Was hast du dir dabei gedacht?«
»Gar nicht so witzig, wenn der Spieß mal umgedreht wird, hm?«, stieß er keuchend hervor.
Er spielte auf die Male an, als er gezwungen gewesen war, mit anzuschauen, wie ich mich verletzt hatte. Bei unserem ersten Date hatte ich mir eine Rippe gebrochen, als wir uns zum ersten Mal geküsst hatten und mein Körper ihn vernichten wollte. Damals hatten wir noch nicht gewusst, dass sich meine Beschützerseite gemeldet hatte. Ich hatte es so mit der Angst zu tun bekommen, dass ich das Einzige getan hatte,was mir einfiel, um unsere Verbindung zu unterbrechen. Er hatte recht. Ich begriff, wie schrecklich es war, das Ganze von dieser Warte aus erleben. In der Absicht, ihn zu heilen, fasste ich wieder zu ihm hinüber, aber er rollte sich von mir weg.
»Asher!«
»Remy, wehe, wenn du es versuchst, dann …«
»Was dann? Dann verhaust du mich? Jetzt mach mal halblang!«
»Denk doch mal nach, verdammt! Du heilst mich und übernimmst meine Verletzungen. Und selbst wenn ich dir helfe, bist du danach geschwächt. Zu geschwächt, um gegen sie anzugehen, wenn sie dich holen.«
Ich benutzte die
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