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Die Schatten des Mars

Die Schatten des Mars

Titel: Die Schatten des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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noch immer eine enorme Hitze aus. Wenn er auf dem Weg zum Tor stürzte, würde er keine zweite Chance bekommen.
    Doch Arif hatte die Furcht aus seinem Bewußtsein verbannt, wie es ihn der alte Bassejew gelehrt hatte.
    Schade, daß er mich nicht sehen kann, dachte der Junge, als er Anlauf nahm. Jetzt, da die Entscheidung gefallen war, empfand beinahe so etwas wie Stolz.
    Ohne zu zögern lief er los, überwand mit raumgreifenden Schritten den erhitzten Gesteinsabschnitt und stieß sich unmittelbar vor dem Höhleneingang wie ein Weitspringer ab. Er rief Djamilas Namen, als er dem silbernen Gespinst entgegenflog und der Schmerz wie ein Stromschlag seinen Körper durchflutete.
    Doch der Schmerz verging, und plötzlich fand sich der Junge am Ufer eines breiten, stillen Flusses wieder. Ein kleines, funkensprühendes Feuer spiegelte sich auf seiner schwarz schimmernden Oberfläche. Es brannte im Heck einer Barke, die lautlos durch das Wasser glitt und auf das Ufer zuhielt.
    Erst jetzt bemerkte Arif die Gestalt im Bug des Bootes. Sie stand vollkommen regungslos und schien die Barke ohne jedes Hilfsmittel zu steuern.
    Er hat kein Gesicht, dachte der Junge erschauernd, als das Licht auf die silberne Maske des Fährmannes fiel, der ihn aus schwarzen Augenschlitzen zu mustern schien. Lautlos glitt der Kiel des Bootes ans Ufer, und Arif kämpfte einen Augenblick lang gegen die Versuchung davonzulaufen. Doch er war hier, um Djamila wiederzufinden, und vielleicht würde ihm der Mann mit der Maske helfen.
    »Komm, Arif«, sagte eine Stimme wie zur Bestätigung. Der Junge fuhr zusammen. Die silbernen Lippen der Maske hatten sich nicht bewegt.
    Der Fährmann stand immer noch reglos, doch als Arif mit klopfendem Herzen zu ihm ins Boot stieg, schienen seine Augen aufzuleuchten.
    »Bist du bereit?« erkundigte sich die Stimme ernst. Der Junge nickte beklommen. Dann legte die Barke ab und trug ihren Passagier seiner Bestimmung entgegen.
     
    Martin Lundgren wartete.
    Er hatte sein Gepäck abgelegt und eine Decke über den Felsboden gebreitet. Von seinem Standort aus konnte er das Tor der Schmerzen deutlich erkennen, hinter dem der Junge verschwunden war.
    Daß es ihm überhaupt gelungen war, das Tor zu passieren, hatte Martin nicht überrascht. Er hatte die Augen des Jungen gesehen. Es waren die Augen eines Menschen, der nichts zu verlieren hatte.
    Als es dämmerte, und die Sonne hinter den Felsentürmen der Valles Marineris versank, bettete Martin seinen Kopf auf dem Rucksack und schloß die Augen. Er hatte keine Sorge, die Rückkehr des Jungen zu versäumen. Sein Lagerplatz lag oberhalb einer kleinen Schlucht, die den einzigen Zugang zum Tor bildete. Die Jahre der Einsamkeit hatten seine Sinne so geschärft, daß ihn das geringste Geräusch wecken würde. Außerdem würde der Junge nicht in dieser Nacht zurückkehren. Der Weg zum schwarzen See war lang ...
    Als die Sterne aufgingen, und der Frost wie ein glitzerndes Tuch vom Himmel fiel, schlief Martin Lundgren bereits.
    Eine Berührung weckte ihn im Morgengrauen.
    Es war Merope, die mit ihrer weichen Plastikzunge seine Hände ableckte. Sie brachte eine Thermoskanne mit Kaffee und eine Nachricht von Anna, die aus zwei Worten bestand: »Komm heim.«
    Wußte Anna, daß er zum Felsentor gegangen war? Hatte sie vielleicht sogar den Routenspeicher des Lei t tieres ausg e lesen? Martin war selten so lange von zu Hause weggeblieben, aber heute hatte er keine andere Wahl. Er diktierte eine neue Nachricht und schickte Merope nach Hause.
    Das Frühstück schmeckte trotz des frisch gebrühten Kaffees fade, aber vielleicht war es auch die Aufregung, die ihm den Appetit nahm. Als die Sonne aufging, ließ er den Höhleneingang nicht mehr aus den Augen. Es konnte jetzt nicht mehr lange dauern.
    Der Wind vertrieb die morgendlichen Dunstschleier, und allmählich wurde Martin ungeduldig. Sein Genick schmerzte, und die Erschöpfung ließ die Konturen der Felsen vor seinen Augen verschwimmen.
    Als eine schmächtige Gestalt schließlich aus dem Schatten trat, hätte er sie beinahe übersehen. In seine Erleichterung mischte sich Mitleid, als er den unsicheren, beinahe taumelnden Schritt des Jungen bemerkte.
    Er braucht Hilfe, dachte Martin und sprang auf. Ohne sich um sein Gepäck zu kümmern, kletterte er den Hang hinunter und lief dem Jungen entgegen.
    Arif bemerkte ihn erst, als er unmittelbar vor ihm stand. Sein Gesicht war blaß, die Tränen hatten feuchte Spuren auf seinen Wangen hinterlassen. Offenbar

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