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Die Schatten des Mars

Die Schatten des Mars

Titel: Die Schatten des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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starrte durch ein Fenster in ein kleines, mit Apparaten vollgestopftes Zimmer. Sein Vater lag in einem Sauerstoffzelt und schien zu schlafen. Durch die Folie konnte Martin die Schläuche und Kabel erkennen, die den Körper des Kranken mit den Maschinen verbanden. Sein Gesicht war eine wachsfarbene Maske der Erschöpfung, die Lippen kaum mehr als ein schmaler Strich. Obwohl der Junge ängstlich auf ein Lebenszeichen gewartet hatte, fuhr er zusammen, als sein Vater plötzlich den Kopf zur Seite drehte und die Augen öffnete ...
    Die Vision verschwand, aber das Gefühl lähmender Angst blieb. Nie hatte sich Martin hilfloser gefühlt als damals, als sie Dad kurz nach seiner Operation besucht hatten. Angeblich hatten die Chirurgen nur ein kleines Stück Lungengewebe entfernt, aber so wie sein Vater ausgesehen hatte, war es wohl doch nicht so klein gewesen. Einen entsetzlichen Augenblick lang hatte Martin sogar geglaubt, er sei bereits tot ...
    »Wird er sterben?« flüsterte er, als das Brennen in seiner Kehle nachgelassen hatte. Er hatte die Frage nicht stellen wollen, doch etwas in ihm war stärker gewesen. Etwas, das in naiver Hoffnung auf ein »Nein« wartete, wo es höchstens ein »noch nicht« geben konnte. Dennoch spürte Martin, wie ein Teil dieser Hoffnung von ihm Besitz ergriff, während er die Maske fixierte, als könne er in ihren starren Zügen die Antwort lesen.
    »Zorn«, fuhr die alte Frau fort, als hätte sie seine Frage überhört, »ist der Gefolgsmann des Schmerzes. Er wird deinen Blick trüben und dich Dinge tun lassen, die du später bereust.«
    Was soll das? dachte der Junge, bis ihm einfiel, daß die Wahrsagerin noch immer bei ihrer Erklärung war. Schmerz, Zorn und Du n kelheit ...
    Ein kalter Windstoß fegte plötzlich in den Raum und blies die Kerzenflammen aus.
    Martin fror, und dann spürte er, wie der Boden unter seinen Füßen nachgab. Er wollte schreien, aber die eisige Kälte preßte ihm den Brustkorb zusammen und ließ den Atem in seinen Lungen gefrieren. Aber auch dieser Schmerz verging, und voller Entsetzen wurde ihm bewußt, daß er seinen Körper nicht mehr spüren konnte, daß er bereits im Begriff war, selbst Teil dieses dunklen, kalten Nichts zu werden, das ihn umgab – daß er starb.
    »Hilfe!« schrieen die davonwirbelnden Reste seines Bewußtseins wie Ertrinkende im Sog eines untergehenden Schiffes. »Helft mir ...«
    Dann wurde es still.
     
    Martin kam zu sich, als ihn etwas oder jemand an der Schulter berührte. Die Berührung tat gut. Dennoch würde er seine Augen erst öffnen, wenn er sicher sein konnte, daß dieser entsetzliche Alptraum vorbei war. Wenigstens fror er nicht mehr, und selbst durch die geschlossenen Lider vermochte er einen schwachen Lichtschein wahrzunehmen, der ihm die Furcht vor der Dunkelheit nahm.
    »He, Marty! Was ist denn ...?«
    War das nicht Petes Stimme?
    Blinzelnd öffnete er die Augen und erkannte die Gesichter seiner Freunde, die ihn besorgt musterten.
    »Schon gut«, murmelte er verlegen. »Ich bin okay.«
    »Was war denn los da drin?« So schnell ließ sich Pete nicht abschütteln.
    »Bist du wirklich in Ordnung, Marty?« Selbst der Professor schien ernsthaft besorgt zu sein.
    Martin schwieg.
    »Ich ... ich weiß es nicht«, sagte er schließlich, und in seinem Blick lag etwas, das die anderen verstummen ließ. »Kommt, wir hauen ab ... ich will nach Hause.«
    In stummem Einverständnis machten sich die Jungen auf den Rückweg. Schweigend durchquerten sie den lichtüberfluteten Festplatz, schwangen sich auf ihre Räder und fuhren hinaus in die Nacht. Musik und Lärm blieben hinter ihnen zurück, und bald erloschen auch die bunten Lichter wie die letzten Funken eines fernen Feuerwerks.
    »Mach’s gut, Marty!«
    »Macht’s gut!«
    Martin sah den Freunden nach und wartete, bis sie hinter der nächsten Straßenbiegung verschwunden waren. Erst dann wandte er sich dem Haus zu, das düster und schweigend im Schatten der alten Bäume lag. Er lief, nein, rannte den Gartenweg entlang und atmete erst auf, als er die Haustür hinter sich geschlossen hatte und das Licht im Korridor aufflammte.
    Es brannte die ganze Nacht hindurch ...
     

Das Experiment
     
    Das Institut – ein unauffälliger Flachbau – lag am Ende eines wenig befahrenen Waldwegs und verbarg sich zudem hinter einer mannshohen Hecke. Den Zaun und das Tor bemerkte Julius erst, als das Taxi unmittelbar davor hielt. Durch ihren grünen Anstrich hoben sich die Metallstäbe kaum vom

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