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Die Schatten des Mars

Die Schatten des Mars

Titel: Die Schatten des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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Schwarz unbeeindruckt. »Aber wenn Sie etwas wissen möchten, dann erwarte ich eine Gegenleistung. Und Ihre kleine Geschichte ist nur ein Teil davon.«
    »Und der andere?«
    »Den erfahren Sie, wenn wir uns ausgesprochen haben«, sagte der dunkelhaarige Mann und deutete mit einer einladenden Bewegung auf die nächste Parkbank. »Kommen Sie, im Sitzen redet es sich besser.«
    Trotz seiner Verunsicherung konnte Julius nicht anders, als die Perfektion der Simulation zu bewundern. Kevin Schwarz wirkte auch aus nächster Nähe vollkommen natürlich. Er sah aus wie ein Mensch, bewegte sich wie ein Mensch und war ganz offensichtlich in der Lage, seine Entscheidungen frei zu treffen. Dabei hatte er in der Realität nie einen eigenen Körper besessen.
    Doch das war jetzt ohne Belang. Sie hatten ein Abmachung getroffen, und er würde seinen Teil erfüllen, auch wenn es ihm unangenehm war. Seine einzige Chance bestand darin, Kevin Schwarz von seiner Glaubwürdigkeit überzeugen.
    Aus irgendeinem Grund hatte er angenommen, es würde ihm schwerfallen, über Julia zu sprechen, aber dem war nicht so. Als er seine anfängliche Verlegenheit überwunden hatte, flossen ihm die Worte wie von selbst von den Lippen, als hätte etwas in ihm nur auf eine Gelegenheit wie diese gewartet. Kompliziert wurde es erst, als religiöse Aspekte ins Spiel kamen. Wie sollte er mit einer KI über Gott sprechen, über seine Verzweiflung und seinen Zorn? Julius beließ es bei Andeutungen und erwähnte das Zerwürfnis mit seiner Familie eher beiläufig, als Kevin Schwarz ihn plötzlich unterbrach: »Haben Sie nie versucht, Kontakt mit ihm aufzunehmen?«
    »Mit wem?« erkundigte sich Julius irritiert, der annahm, es ginge um seinen Vater.
    »Mit Ihrem Schöpfer natürlich.«
    »N... nein, wie denn?« Vor Verlegenheit geriet Julius beinahe ins Stottern.
    Der dunkelhaarige Mann lächelte, aber seine Augen blieben ernst: »Schon gut, erzählen Sie bitte weiter.«
    Julius versuchte es, aber es fiel ihm schwer, den Faden der Geschichte wieder aufzunehmen. Er spürte selbst, wie wenig überzeugend seine Worte mit einem Mal klangen. Obwohl er sich an die Tatsachen hielt, blieben seine Schilderungen distanziert, als beträfen sie nicht ihn selbst, sondern einen Dritten. Auch sein Gegenüber schien sich zu langweilen, sofern sein Gesichtsausdruck überhaupt eine Deutung zuließ. Erst als die Sprache auf Julius’ KI-Projekt kam, verriet sein Blick eine Spur von Interesse – allerdings nur so lange, bis klar wurde, daß Julia II noch nicht einmal das Licht ihrer virtuellen Welt erblickt hatte.
    »Ich verstehe immer noch nicht, was Sie vorhaben«, bemerkte er anschließend. »Wozu benötigen Sie dieses Konstrukt eigentlich?«
    Selber Konstrukt, dachte Julius ärgerlich, beherrschte sich aber. Wenn es ihm nicht gelang, der KI seine Motive plausibel zu machen, würde sie weiter schweigen.
    »Das ist nicht ganz einfach«, begann er zögernd. »Manchmal tun Menschen Dinge, die rational nicht zu erklären sind. Ich weiß, daß Julia tot ist, aber wenn ich ihre Stimme höre und ihr Gesicht auf dem Bildschirm sehe, dann ist es beinahe so, als wäre sie noch am Leben. Das können Sie möglicherweise nicht verstehen ...«
    »Doch, ich habe von solchen Verhaltensmustern gehört«, erklärte Kevin Schwarz ernsthaft. »Aber es ändert nichts an den Tatsachen und erklärt auch nicht, wozu Julia II überhaupt ein eigenes Bewußtsein benötigt. Was erhoffen Sie sich davon?«
    Die Hartnäckigkeit der KI verdroß Julius, aber er durfte den Gesprächsfaden jetzt nicht abreißen lassen. Sonst erfuhr er gar nichts. Aber wie sollte er über etwas sprechen, das ihm selbst nicht bis zu den letzten Konsequenzen klar war? Was erwartete er von der neuen Julia?
    »Ich möchte, daß sie über einen eigenen Willen verfügt«, erklärte er schließlich. Es klang nicht besonders überzeugend.
    »Einen eigenen Willen?« erwiderte Kevin Schwarz unerwartet heftig. »In einer Umgebung, die Sie festgelegt haben? In Gesellschaft eines Menschen, der ihr vielleicht vollkommen gleichgültig ist? Ohne die Möglichkeit, ein Leben führen zu können, das diese Bezeichnung auch nur andeutungsweise verdient? Und das alles nur, damit Sie sich für eine Art Gott halten können?«
    Julius spürte, wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg. Gern hätte er etwas Heftiges erwidert, etwas, das dieser Imitation eines Menschen klar machte, wie unsinnig ihre Vorwürfe waren – aber er konnte es nicht.
    »Sie dürfen nicht von

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