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Die Schatten des Mars

Die Schatten des Mars

Titel: Die Schatten des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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geraucht.
    »Doch, Charlie«, sagte der Kranke mit unerwartet klarer Stimme. »Das ist mein Ernst, natürlich nur, wenn unser Gast so freundlich sein will ...«
    Seine Hände zitterten kaum, als er nach der Schachtel griff, die ihm Pete mit einem verlegenen Lächeln reichte, und eine Zigarette herausnahm.
    »Danke, nicht nötig«, wehrte er ab, als der junge Mann ihm Feuer geben wollte. »Die hebe ich mir für später auf. Schlaft gut, ihr beiden.«
    »Gute Nacht.« Sichtlich erleichtert steckte Pete sein Feuerzeug wieder ein und verschwand mit Betty im Haus.
    »Netter Kerl«, murmelte Dad zufrieden und schnupperte an der Zigarette, die er vorher ein paarmal zwischen den Handflächen hin- und hergerollt hatte. »Nein, sag nichts, Charlene, laß mich bitte ausreden.«
    Nervös sah Martin zu seiner Mutter hinüber, die sichtlich Mühe hatte, Fassung zu bewahren. Der Junge ahnte, was in ihr vorging, aber er konnte ihr nicht helfen. Er konnte nicht einmal sich selbst helfen. Sein Vater hatte sie beschämt, einfach dadurch, daß er sie erinnert hatte. Und es war noch nicht vorbei ...
    »Ich weiß, es ist dein Geburtstag, Martin«, sagte Erik Lundgren mit fester Stimme, »aber ich möchte, daß ihr mich jetzt allein laßt.«
    Der Junge wollte etwas sagen, doch dann spürte er den Druck von Annas Hand in der seinen und blieb stumm.
    »Aber warum ...?« Martin sah, wie sich seine Mutter auf die Lippen biß. Gleich würde sie anfangen zu weinen.
    »Es war ein schöner Tag«, fuhr der Kranke fort. »Und ich möchte noch das Feuerwerk sehen.«
    Das können wir doch auch zusammen, dachte der Junge, bis ihm klar wurde, daß das nicht stimmte. In ihrer Anwesenheit würde sich Vater keinen Augenblick unbeobachtet fühlen können. Sie würden jeden Schluck zählen, den er trank, und darauf achtgeben, ob er dabei etwas verschüttete. Sie würden auf den Hustenanfall warten, wenn er sich Petes Zigarette tatsächlich anzündete, und sich dann Wir-haben-es-doch-gleich-gewußt-Blicke zuwerfen. Sie würden ihm eine Wolldecke bringen, auch wenn es so warm blieb wie jetzt.
    Er hat recht, wenn er uns we g schickt ...
    »Martin wird seine Freundin jetzt nach Hause bringen.« Die Stimme duldete keinerlei Widerspruch. Jetzt, da es dunkel geworden war und der Junge das Gesicht seines Vaters kaum mehr zu erkennen vermochte, erinnerte sie ihn auf noch beklemmendere Weise an früher. »Und du, Charlie, solltest versuchen, ein wenig zu schlafen.«
    »Gute Nacht, Mr. Lundgren.« Anna stand auf und ging hinüber zu Dads Rollstuhl. »Es war wirklich ein schöner Tag. Und das Feuerwerk wird sicher großartig.«
    »Das wird es, meine Kleine«, erwiderte Martins Vater. »Es war eine Freude, dich kennenzulernen. Unser Martin ist ein Glückspilz.«
    »Danke, Mr. Lundgren«, sagte Anna, beugte sich zu dem Kranken hinab und gab ihm einen Kuß auf die Wange.
    Ganz in der Nähe stieg eine Rakete zischend zum Himmel auf und zerplatzte in einem Schwarm weißer Leuchtkugeln. Für Sekunden wurden Haus und Grundstück in gleißendes Licht getaucht.
    Als Martin aufstand, spürte er ein Brennen in der Kehle. Er hatte etwas gesehen, vielleicht nur ein Spiel von Licht und Schatten, vielleicht aber auch nicht. Für einen Augenblick hatte das Gesicht seines Vaters wieder jung ausgesehen ...
    »Gute Nacht, Dad.« Die Stimme des Jungen klang heiser.
    »Mach’s gut, mein Junge«, sagte Erik Lundgren und setzte leise hinzu: »Du darfst sie nie im Stich lassen, hörst du?«
    Wen? Anna? Wie kam er darauf? Wußte er etwa von seiner Bewe r bung?
    »Nein, Dad.«
    »Gut«, flüsterte der Kranke. »Und nun macht, daß ihr fortkommt.«
    Martin wollte noch etwas sagen, aber seine Kehle war wie zugeschnürt. Er mußte weg, schnell, bevor der Schmerz übermächtig wurde, und so wandte er sich ab und ging, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    Anna wartete am Tor. Ihre Hand war warm, und es tat gut, sie festzuhalten.
    »Er wird sterben«, sagte das Mädchen, als sie das kleine Wäldchen erreicht hatten, das die Vorstadt von Fluß trennte. Es war keine Frage.
    »Er nimmt seine Tabletten nicht mehr«, erwiderte Martin, als wäre das noch von Bedeutung. Es war der ausdrückliche Wunsch seines Vaters gewesen, daß sie gegangen waren, aber er fühlte sich dennoch miserabel. Vielleicht hätten sie ihn doch nicht allein lassen dürfen ...
    »Du frierst«, stellte Anna sachlich fest und blieb stehen. »Gib mir einen Kuß.«
    Martin zögerte einen Moment, als müsse er sich erst darüber

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