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Die Schatten des Mars

Die Schatten des Mars

Titel: Die Schatten des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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die er über ein Internet-Auktionshaus anbot, erzielten nicht einmal ein Viertel des von ihm anvisierten Verkaufspreises, aber das waren Verluste, die er einkalkuliert hatte. Die euphorischen Reaktionen gerade dieser ersten Käufer erwiesen sich als überaus wirksames Verkaufsargument, zumal Julius‘ Werbung in der Folge vor allem auf die hohe Qualität und die Exklusivität seiner Kreationen abzielte.
    Am Geld würde das Projekt nicht scheitern, davon war Julius von Anfang an überzeugt. Wenn es Leute gab, die anstandslos ein paar Tausend Euro für ein Holovisions-Set oder eine HiFi-Anlage hinblätterten, dann mußten sich auch Kunden finden lassen, die sich für die weitaus anspruchsvolleren mechanischen Spielgefährten der Firma Gemky interessierten. Gemkys, wie die kybernetischen Hausgenossen alsbald genannt wurden, waren robuster, zuverlässiger und ausgeglichener als jedes herkömmliche Haustier. Sie produzierten keinen Unrat, wurden niemals krank, alterten und starben nicht. Sie kommunizierten auf dem gleichen Niveau wie ihre kindlichen Besitzer und waren bei Bedarf sogar imstande, ihnen bei den Hausaufgaben zu helfen. Die einzige Zuwendung, derer sie bedurften, war der nächtliche Aufladezyklus. Julius‘ Firma gewährte acht Jahre Vollgarantie, ein für Spielzeug durchaus außergewöhnlicher Service, der jedoch nur selten in Anspruch genommen wurde. Dem stabilen Edelstahlchassis der Gemkys war allenfalls mit einem Vorschlaghammer beizukommen.
    Ein knappes Jahr nach Markteinführung beschäftigte Julius bereits ein gutes Dutzend Angestellter, die in einer ehemaligen Autowerkstatt am Stadtrand Gemkys der Typenreihen Foxi (Hund), Felina (Katze) und Ted (Waschbär) montierten. Die meisten dieser neuen Mitarbeiter waren ausgebildete Mechaniker oder Uhrmacher höheren Alters, die er aus Hunderten von Bewerbern ausgesucht hatte. Er hätte die Produktion leicht auf ein Vielfaches steigern können, wenn er Automaten eingesetzt hätte, aber daran hatte Julius kein Interesse. Die Tatsache, daß die Gemkys ausschließlich handgefertigt wurden und erst nach angemessener Wartezeit zu haben waren, trug entscheidend zum Kultstatus der Serie bei und half, die Preise stabil zu halten.
    An Julius’ persönlichen Lebensumständen änderte der wirtschaftliche Erfolg wenig. Zwar hatte er die Werkstatt mittlerweile in ein modernes Entwicklungslabor umfunktioniert, sein Tagesablauf blieb jedoch weitgehend der gleiche. Mit seinen Angestellten kommunizierte er ausschließlich auf elektronischem Wege. Die meisten hatten ihn noch nie persönlich zu Gesicht bekommen. Einzig Walter Nägele, der leitende Ingenieur, wußte, wo er Julius im Bedarfsfall erreichen konnte, hütete sich aber, dieses Privileg zu mißbrauchen. So unterschied sich das Frombergsche Anwesen auch weiterhin kaum von anderen Höfen des verlassenen Dorfes. Mittlerweile gab es auch keinen Lieferverkehr mehr, so daß wieder Stille eingekehrt war an jenem verwunschenen Ort, den Julius nur mit den Geistern der Vergangenheit teilte.
    Die Zeichen standen auf Sturm. Sizilien fiel und wurde von den Alliierten zurückerobert, London erstickte unter einer Giftgaswolke, und Islamabad versank im nuklearen Feuer, doch über das verlassene Dorf am Ufer der Aarnau hatte der Krieg keine Macht. Die brachliegenden Felder, die Wiesen und der Fluß waren wie immer, und die Sterne über den alten Dächern zeigten die vertrauten Bilder. Es war ein Spiel auf Zeit, das wußte Julius, aber noch war er nicht bereit, jenen Ort zu verlassen, an dem er glücklich gewesen war ...
     

2. Buch

Die alte Welt
     
    Though the iron sides of the old world falter,
The likeness of them shall not alter
For all the rumour of periods,
The stars and seasons that come after,
The tears of latter men, the laughter
Of the old unalterable gods ...
     
    Algernon Charles Swinburne
    »Ilicet«
     

Die Versuchung
     
    Alles lief nach Plan – so perfekt, daß es John Edison manchmal fast unwirklich erschien.
    Sie hatten acht Monate Zeit gehabt, sich auszumalen, was alles schiefgehen könnte, und dabei war ihnen eine Menge eingefallen. Doch nichts davon war eingetreten – bis jetzt jedenfalls.
    Gestern hatten sie die Rückstartstufe und vor sechs Stunden das Habitat abgesetzt. Beide Module waren nahezu punktgenau niedergegangen und ruhten jetzt nicht einmal eine halbe Meile voneinander entfernt wie erschöpfte Reisende auf den weißen Kissen ihrer Airbags.
    Auch der Lander hatte die wohl schwierigste Phase, den fast

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