Die Schatten schlafen nur
hat der seinen Schuppen immer gerammelt voll. Ist ja kein Wunder, wenn einem der Papa die Knete rüberschiebt, dass man mit der Werbung richtig groß auf die Kacke hauen kann: Idyllisches Landhotel, nur knapp eine Stunde vom Düsseldorfer Zentrum entfernt!«
»Der alte von Bahlow«, fragte Astrid. »Hat der auch bei dem Bau mitgeholfen?«
Jetzt lachte Vater Maier schallend. »Der doch nicht!«
»Fängst du schon wieder an?« Die Oma wurde giftig. »Dem Opitz die Stange halten und über Waldemar herziehen! Das hab ich gern. Wo wäre denn das Dorf ohne diesen Mann?«
»Das kann ich dir sagen, Omma«, meinte der Enkel böse. »Ohne den gäbe es hier bestimmt noch eine ganze Menge mehr Traditionsbetriebe. Aber der musste sich ja alles unter den Nagel reißen!«
»Für gutes Geld! Betrügen tut der keinen!«
»Und? Der hat die ganze Infrastruktur kaputtgemacht.«
»Steck du ruhig weiter den Kopf in den Sand, Mutter.«
Karl Maier sprang seinem Sohn zur Seite. »Da bist du ja groß drin. Dabei weißt du genauso gut wie ich, dass Waldemar ein faules Ei ist. Bis heute kann dir kein Mensch ’sagen, wie der überhaupt auf die Liste gekommen ist.«
»Welche Liste?«, fragte van Appeldorn schnell.
»Wenn man sich um eine Siedlungsstelle beworben hatte, kam man auf eine Liste. Von Bahlow hat da nie draufgestanden, aber dann sitzt er Ende 49 plötzlich – patsch! – auf dem schönsten Grundstück an der Königsberger Straße. Jetzt frag ich Sie: Wie geht so was? Alle anderen haben sich das hart erkämpft, mitgerodet, mitgebaut, monatelang in einer Baracke gehaust. Und als alles fast fertig ist, da reitet Baron von Bahlow ein.«
»Dr. Bach wird schon gewusst haben, was er tut«, meinte die Oma störrisch. »Das war ein so feiner Mensch.«
»Der Bach, dass ich nicht lache!«
»Entschuldigen Sie, wenn ich unterbreche«, sagte van Appeldorn, »aber wer ist Dr. Bach?«
»Der hat damals die Erwerbsflächen unter den Bewerbern verteilt, war quasi der verlängerte Arm vom lieben Gott. Gerade der! Man wundert sich doch immer noch, wie schnell gewisse Leute ihren Persilschein gekriegt haben.«
Er bemerkte Astrids fragenden Blick. »Entnazifizierung! Man munkelte, dass der Bach sogar in Kategorie zwei gekommen ist, also nicht bloß Mitläufer, aber wie das damals so war: 1948 schon wieder in Amt und Würden. Geht mir doch alle weg!«
Der Enkel schob seinen Stuhl zurück und stand auf. »Ich würde ja gern noch mitdiskutieren, aber leider, meine Mittagspause ist um.«
»Wir müssen auch weiter«, meinte Astrid und erhob sich ebenfalls. »Wenn einem von Ihnen noch etwas einfällt …«
»Ja, sicher«, sagte Maier, »dann rufen wir Sie an. Mit welcher Waffe ist Opitz eigentlich erschossen worden? Hier gibt es so einige Jagdbesessene. Vielleicht war das Ganze ja ein Unfall.«
»Nein, bestimmt nicht. Opitz wurde durch einen aufgesetzten Genickschuss mit einer 9-mm-Pistole getötet.«
»Interessant. so eine hatte mein Vater auch, damals bei der Wehrmacht.«
Sie trafen sich wieder an der Bank auf dem Spielplatz.
Hüseyin hatte Verstärkung gekriegt; mittlerweile standen drei Eroglu-Lieferwagen vorm Haus und es wurde kräftig gearbeitet.
Cox öffnete seine Aktentasche und holte sein Butterbrot und das Schokoladenpäckchen heraus. »Das mit dem Kaffee ist gar keine schlechte Idee, Astrid. Ich denke, den nehme ich ins Menü auf.«
Sie sah ihn stirnrunzelnd an. »An der Triftstraße ist doch eine Tankstelle, oder? Ich besorge uns was zu essen.«
Aber alles, was es dort außer Süßigkeiten gab, waren zweifelhaft aussehende Salate in Plastikschalen mit eingearbeiteter Gabel. Astrid wählte die drei aus, die am frischesten wirkten, einen Eiersalat Großmütterchen, einen Nudelsalat Florida und einen Salat Nizza. Das gräuliche Stück Thunfisch, das obendrauf lag, konnte man ja notfalls entsorgen.
Von keinem aß sie letztendlich mehr als einen Bissen, sie schmeckten alle nach Benzoesäure. Auch Toppe rümpfte die Nase und lehnte dankend ab. Van Appeldorn ließ nicht ein Nüdelchen übrig, er wischte sogar die letzten Tupfer Mayonnaise mit dem Finger aus den Schalen. »Scheußlich, aber immer noch besser als ein knurrender Magen.«
Auf der Pastorenliste standen noch 44 Leute, 23 davon lebten nicht mehr in Nierswalde, blieben 21. Sie beschlossen, sich einzeln auf den Weg zu machen und sich um sechs Uhr spätestens wieder an der Bank zu treffen. Keiner machte eine Pause, sie gingen von Haus zu Haus. Zwischendurch trafen sie
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