Die Schatten schlafen nur
einen Nachlass sichten will? Wenn’s recht ist, stell ich noch mehr so dumme Fragen.« Es war recht und keine der Fragen war auch nur im Geringsten dumm.
22
»Du machst dich ganz schön fett damit, wie cool du das durchgezogen hast.«
Sie ließ die Nagelbürste ins Becken plumpsen und schüttelte das Wasser von den Händen.
»Du warst, verdammt noch mal, auch nicht schlecht.«
»Sag ich doch.« Er fasste sie von hinten um die Hüften und zog sie an sich.
Sie rieb ihren Kopf an seiner Brust. »Flucht nach vorne, bloß kein Rückzug«, sagte sie. »Wie ging noch mal der alte Bullensatz? Wer zuerst schießt, überlebt.«
23
Peter Cox hatte das Altersheim ausfindig gemacht, in dem Robert Froriep seinen Lebensabend verbrachte, und Toppe rief gleich morgens als Erstes in Düsseldorf an und sprach mit der Heimleiterin. Soweit ihr bekannt sei, gehe es Herrn Froriep gut und die Polizei könne gern mit ihm reden. Wie wäre es mit morgen Nachmittag um zwei? Während die anderen sich um die Berichte kümmerten, machte Toppe sich auf den Weg zur Chefin. Vor ihrem Büro lümmelte Jupp Ackermann herum. »Charly is’ nich’ da un’ kein Mensch weiß, wo se steckt.« Er hatte die halbe Nacht über den Protokollen gesessen, um sich ein Bild zu machen von den Ereignissen der letzten Wochen in Nierswalde. Anscheinend war er ziemlich sicher, dass die Meinhard ihn abstellen würde. »Reine Formsache!« Er zwinkerte vergnügt. »Un’ wenn nich’, muss ich einfach noch ’n paar Takte mehr fallen lassen von wegen Fernsehschau.«
Toppe nickte abwesend; er wusste nicht, was Ackermann inzwischen unternommen hatte, er fragte auch nicht nach.
»Erde an Toppe, Erde an Toppe!« Ackermann fuchtelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum, »’n Zwanni für Ihre Gedanken, Chef. Wissen Se, wat ich mir überlegt hab? Könnt doch sein, dat ich ganz fix hinter die dunklen Finanzgeschäfte von dem Kaiser komm. Wie wäret denn, wenn ich mich danach ma’ hinter die Vandalen klemm? Et müsst’ doch mit dem Teufel zugehen, wenn wer denen nich’ auf die Schliche kämen, wo wer so feine Spuren haben!«
Es wurde elf, bis Charlotte Meinhard endlich auftauchte, ohne jede Erklärung, dafür mit einer neuen Frisur in frisch glänzendem Dunkelrot.
Sie war sofort einverstanden, Ackermann dem KK 11 zu überstellen, sprach nicht einmal über eine zeitliche Befristung und wollte auch nicht die übliche schriftliche Begründung.
Als Toppe sich endlich in sein Auto setzte, um nach Nierswalde zu fahren, brauchte er ein paar Minuten, bis er seine Wut über diese Frau wieder unter Kontrolle hatte. Manchmal hielt er es kaum noch aus, wie sie ihn mit ihren willkürlichen Launen – oder vielleicht war es ja auch wohl überlegte Taktik – Männchen machen ließ.
Die Schuppentür schloss er nicht, schlängelte sich durch bis zum Fenster und öffnete auch das weit.
Der Tag war windig und grau, er fröstelte schon jetzt, spürte, wie seine Finger klamm wurden, aber er konnte den Modergeruch einfach nicht ertragen.
Vorsichtig richtete er den kleinen Mahagonitisch auf und legte das Kästnerbuch aufs Bett, dann begann er, Kisten und Kartons zu öffnen.
Frauenkleidung, zwei Koffer voll, auch Schuhe und Hüte, keine einziges Kleidungsstück von Opitz. Hatte Helene alles ausrangiert? Wann? Und wieso hatte sie ihren Mann nie als vermisst gemeldet? Er konnte Adelheid Tessel danach fragen. Sie hatte ihn kommen sehen und würde mit Sicherheit früher oder später auftauchen.
Er fand Fotoalben: Helene Domröse als Siegerin bei einem Rock-’n’-Roll-Wettbewerb, ihr Tanzpartner war nicht Jakob Opitz gewesen. Helene bei einer Miss-Wahl in Xanten, bei einer weiteren in Goch. Dann das Hochzeitsfoto: eine hübsche, selbstgefällige Braut, ein ernster, in sich gekehrter, aber deutlich verliebter Bräutigam. Das einzige Foto, das Toppe von Jakob Opitz entdecken konnte.
Aus den Jahren vor 1950 gab es nichts, keine Fotos, keine Schulzeugnisse, Milchzähne, erste Locken, was auch immer. War wohl alles auf der Flucht verloren gegangen oder zurückgelassen worden.
Toppe atmete gegen den Knoten in seinem Magen an. Die Spuren, die Opitz hinterlassen hatte, waren erbärmlich dünn. Zwei Manschettenknöpfe aus Bernstein, zwischen Pappdeckeln ein paar vergilbte Zeitungsartikel über das Nierswalder Jugendheim, ein grobkörniges Bild, auf dem Opitz mit einer Gitarre zwischen seinen Schützlingen saß. Er lächelte am Fotografen vorbei.
Toppe legte die wenigen Dinge auf das
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