Die Schatten schlafen nur
Stammkundschaft aufbauen können. Man war sich einig, dass es bei ihnen besonders gutes Gemüse zu kaufen gab, und mit der Zeit waren auch Kunden aus Pfalzdorf und Asperden, teilweise sogar aus Goch zu ihnen gekommen. Die Eroglus hatten am Dorfleben nicht teilgenommen, aber sie waren immer freundlich behandelt worden. Das alles hatte sich seit Anfang dieses Sommers geändert. Ihr Vermieter, ein Rechtsanwalt aus Borken, der seit Jahren selbst in Nierswalde wohnte, hatte das große Grundstück neben der Kirche gekauft, das an ihren Laden grenzte. Im Juli war durchgesickert, dass dort der Bau eines Aussiedlerheimes geplant war.
»Es ist auf uns zurückgeschlagen«, sagte Hüseyin, »obwohl wir nun wirklich nichts damit zu tun haben. Jedenfalls kamen in letzter Zeit immer weniger Kunden.«
»Hat man Ihnen in irgendeiner Weise gedroht?«, fragte Astrid.
»Nein, nein«, beteuerte Ayse, »überhaupt nicht. Aber die Leute sind sehr aufgeregt. Es hat Bürgerversammlungen gegeben. Soweit ich verstanden habe, soll das Heim sehr groß werden und sehr viele Aussiedler aufnehmen, und die Leute glauben, dass ihr Dorf viel zu klein ist für so viele fremde Menschen. Es würde alles ändern.«
»Wie heißt Ihr Vermieter?« Van Appeldorn legte seinen Block auf den Tisch.
»Bruno Schlüter. Er wohnt in dem großen, weißen Haus ein Stück weiter die Königsberger Straße hinunter.«
»Es hat Sie also niemand bedroht«, nahm Astrid den Faden wieder auf. »Aber ganz unter uns, fällt Ihnen jemand ein, der …«
»Nein!«, rief Ayse und hielt dann, erschrocken über sich selbst, inne. »Man hasst uns hier nicht«, fuhr sie leiser fort. »Verstehen Sie, die Menschen sind verwirrt und aufgebracht, aber ich wüsste niemanden, der so etwas tun würde. Es macht doch auch keinen Sinn.«
»Aber irgendjemand, Frau Eroglu«, entgegnete Astrid, »wollte Ihnen Schaden zufügen. Er hat sogar in Kauf genommen, dass Sie beide in dem Feuer umkommen. Wer könnte so etwas tun und warum sollte er so etwas tun? Haben Sie mit irgendwem Streit? Haben Sie private Probleme?«
»Nein, gar nicht.« Ayse goss sich eine zweite Tasse Kaffee ein. Hüseyin sah Astrid direkt in die Augen. »Wir wissen wirklich nichts!«
»Haben Sie gestern etwas Verdächtiges bemerkt?«, fragte van Appeldorn. »War etwas anders als sonst? Haben Sie Geräusche gehört?«
»Nein. Nichts, gar nichts.«
»Tja, dann war’s das wohl für heute. Denken Sie noch einmal in Ruhe nach. Vielleicht fällt Ihnen ja doch noch etwas ein. Wir werden sicher noch öfter miteinander reden.« Van Appeldorn nahm seinen Stift wieder auf. »Wo können wir Sie denn in den nächsten Tagen erreichen?«
Hüseyin Eroglu gab eine Adresse in Wesel an.
Sie standen gleichzeitig auf.
»Hoffentlich sind Sie ausreichend versichert«, meinte Astrid, als sie zur Rezeption zurückgingen.
Ayse blickte sie über die Schulter hinweg an. »Natürlich! Wir könnten alles wieder herrichten, aber ich weiß nicht, ob wir hier bleiben werden. Das müssen wir mit der Familie zusammen überlegen.«
Von Bahlow stand am Tresen und sortierte Prospekte.
»Schlimm«, sagte er zu Hüseyin. »Es tut mir sehr Leid, dass Ihnen so etwas passieren musste, Herr Eroglu. Wenn wir irgendwie helfen können.«
»Danke sehr! Sehr freundlich von Ihnen.«
Die Geschwister gingen hinaus.
Van Appeldorn zog sein Portemonnaie aus der Hosentasche, aber von Bahlow winkte ab. »Lassen Sie nur. Das geht selbstverständlich aufs Haus.«
Er schenkte Astrid ein blitzend weißes Lächeln. »Haben Sie schon einen Anhaltspunkt, Frau Kommissarin?«
»Möglich«, gab sie abweisend zurück. »Durchaus möglich. Vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft.«
Er deutete eine Verbeugung an, als sie die Glastür aufstieß und hinausging. Van Appeldorn schlackste hinterher.
Auf dem Parkplatz blieb sie stehen. »Die beiden haben uns nicht alles gesagt. Mit irgendwas halten die hinterm Berg.«
»Klar!«
»Und warum?«
Er hielt ihr sein Zigarettenpäckchen hin, aber sie schob es weg.
»Das werden wir schon rauskriegen«, meinte er. »Es ist doch immer wieder eine Herausforderung, sich mit fremden Kulturen auseinander zu setzen.«
Sie boxte ihn in die Seite. »Hat van Gemmern irgendwas gefunden?«
»In der Zeit, in der ich hier war, nichts. Aber da hat es ja auch noch gebrannt. Wir sollten gleich ins Labor fahren.«
»Gib mir doch mal eine Zigarette und dann dein Handy.«
Er hielt ihr die Schachtel hin. »Was hast du vor?«
»Ich soll Walter
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