Die Schatten schlafen nur
Toppe ganz flau.
Halb Kleve hatte sich damals das Maul zerrissen über ihre WG. Der Hauptkommissar hatte zwei Frauen! Ja, für eine kurze, völlig verrückte Zeit, eine ganz kurze Zeit.
Wie Jelinek Astrid heute in seiner Fantasie ausgezogen hatte und ihr Lächeln dann. Er war doch tatsächlich eifersüchtig, immer noch. Blöde, völlig schwachsinnig! Als er sich, wider alle Vernunft, auf eine Beziehung zu Astrid eingelassen hatte, war er immer davon ausgegangen, dass es nicht von Dauer sein würde, nicht mit dem Altersunterschied. Und er hatte sich vorgenommen, schnell und leise zu verschwinden, für immer, wenn sie genug von ihm hatte. Aber dann war Katharina gekommen und hatte sein Hintertürchen zugeknallt.
Astrid stellte den Teller mit den Broten auf den Tisch und reichte ihm den Kakaobecher. »Sag’s!«
»Ach, es ist wegen unserem Haus hier, diese so genannte Wohngemeinschaft!«
Sie hörte ihm schweigend zu. »Stimmt, hier läuft was ziemlich schief«, meinte sie dann. »Du hast schon Recht, wir könnten natürlich alles verkaufen, aber es gibt auch eine andere Möglichkeit, denke ich. Streich Christian endlich seinen monatlichen Scheck. Was glaubst du, wie schnell der dann in die Gänge kommt. Und dann schmeiß ihn endgültig raus. Das wird dem nur gut tun. Dann wären zwei Zimmer frei, die sowieso nur leer stehen. Henry könnte fest hier einziehen und vielleicht auch Stefanie.«
Sie musste lachen, als sie sein Gesicht sah. »Na gut, Stefanie nicht. Aber dann muss Oliver sich entscheiden, wo er leben will. Der kann auch nicht nur schmarotzen. Wir müssen uns einfach neu sortieren.«
»Und wenn die alle gar nicht wollen. Wenn Gabi viel lieber zu Henry ziehen würde?«
»Dann soll sie es sagen. Ihr gehört ein Drittel vom Hof. das könnte auch jemand anders kaufen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Gabi ihr Reich aufgeben möchte.«
»Na ja, wahrscheinlich nicht …«
»Bestimmt nicht. Helmut, wir drei als Kleinfamilie in einem Reihenhäuschen, das würde nie gut gehen. Meinst du, das weiß ich nicht? Also lass uns die Sache anpacken. Lass uns ein WG-Treffen machen, gleich am Samstag, falls wir Christian erwischen.«
»Nein«, erwiderte er. »So sehr drängt das nun auch nicht. Ich will erst den Fall vom Tisch haben.«
Am nächsten Morgen war eine neue E-Mail von Cox da:
Die Köchin ist bereit, das Folgende unter Eid auszusagen: Als sie Anfang Juni 1944 (an das genaue Datum erinnert sie sich nicht) zur Arbeit auf dem Gut der von Bahlows erschien, fand sie alle Türen offen, das Innere verwüstet. In der Bibliothek lag Waldemar von Bahlow neben dem geöffneten Tresor, getötet durch einen Genickschuss. Später wurde auf dem Innenhof der tote Melker gefunden. Ihm war viermal in den Rücken geschossen worden. Das Verbrechen wurde nie aufgeklärt; man hat anscheinend nicht einmal den Versuch gemacht. Es muss Chaos gewesen sein: Flüchtende, durchziehende Truppen, Plünderer zuhauf viele Tote, herumirrende Kinder, zurückgelassene alte Menschen.
Zum Tresor: Seit Mitte des letzten Jahrhunderts hat die Familie von Bahlow ihr Vermögen in Edelsteinen angelegt, die im Tresor der Bibliothek aufbewahrt wurden: Diamanten, Smaragde und Rubine. Die Köchin erinnert sich, dass von Bahlow besonders stolz auf seine »gelben Diamanten« war (was immer das sein soll) und auf einige Brillanten, die damals angeblich schon über 150 Jahre alt waren. Der Tresor war nicht
aufgebrochen, W. v. Bahlows Schlüsselbund steckte noch im Schloss!!! Erbitte weitere Anweisungen. Suche derweil nach anderen Zeitzeugen. P. C.
Toppe und Astrid dachten so ziemlich das Gleiche: Hatte Konstantin von Bahlow seinen Bruder getötet, sich dessen Papiere genommen, die Edelsteine in die Tasche gesteckt, seine Uniform verschwinden lassen und sich in den Strom der Flüchtlinge eingereiht?
Diamanten! Das konnte die Antwort auf die Frage sein, wie von Bahlow an sein Geld gekommen war. Er hatte immer bar bezahlt. Also musste er die Steine verkauft haben.
Sie hatten beide dieselbe Idee, Astrid sprach sie aus: »Jocelyne.«
Jocelyne war Wim Lowenstijns Freundin, Diamantenhändlerin und -expertin in Antwerpen.
»Ich rufe Wim an.« Astrid tippte die Nummer ein.
»Grüß dich, Wim, hier ist Astrid …« Sie lachte. »Nein, ich habe Helmut nicht endlich verlassen. Ja … Nein, deine Briefmarkensammlung will ich immer noch nicht sehen.« Nach einer Weile kam sie tatsächlich dazu, ihm zu erklären, worum es ging. »Viel Konkretes haben
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