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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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Angst vor irgendwelchen Schatten in den Bäumen und sich besser von seiner Mama wieder abholen lassen soll. Da hat Gerry ihm Saures gegeben. Hat ihn zu Brei geschlagen und seine Nase über das ganze Gesicht verteilt. Wir anderen haben uns nicht eingemischt, nur gelacht.
    Plötzlich sagt Bull, jetzt reicht es, Gerry, und zerrt ihn von dem anderen Jungen runter. Aber Gerry schreit und prügelt immer weiter. Bull zerrt ihn auf die Beine, und bevor jemand sich versieht, wirbelt Gerry herum und - baff!«
    Campbell blinzelte erschrocken, als McGinty sich mit der Faust in die offene Hand schlug.
    »Gerry geht einfach her und schlägt dem furchteinflößendsten Mistkerl, den ich je zu Gesicht bekommen habe, einfach mitten in die Fresse.«
    »Mein Gott«, entfuhr es Campbell. Er hatte noch nie gehört, dass irgendjemand sich mit Bull O’Kane angelegt hatte und davongekommen war. Aus schierem Interesse fragte er: »Und was hat Bull dann gemacht?«
    »Der hat ihn versohlt.« McGinty grinste. »Bull hat Hände wie Rinderkeulen. Er hat Gerry eine verpasst, und der fiel um wie ein Sack Kartoffeln. Ganz ehrlich, weder vorher noch nachher habe ich es je erlebt, dass irgendjemand seine Hand gegen Bull O’Kane erhoben hätte. Und ich dachte bloß noch, scheiße, und was jetzt? Der bringt ihn um. Ich hab echt geglaubt, den Kleinen müssen wir im Wald begraben.«
    Das Grinsen auf McGintys Gesicht verschwand. »Und dann marschiert Bull los und holt eins von den Luftgewehren, schiebt ein Kügelchen rein und kommt zurück zu Gerry. Gerry starrt ihn nur an und japst nach Luft. Bull zielt auf den Jungen und sagt: >Du traust dich ja ganz schön was, mein Söhnchen.< Ich sage noch: >Mensch, Bull, der ist doch noch ein Kind, er hat es nicht so gemeint.< Und Bull antwortet: >Ein Kind? Es gehört mehr als ein Kind dazu, mir eine zu knallen. Behaltet den mal im Auge, der hat eine große Zukunft.<«
    Campbell merkte, wie er vor Erstaunen den Mund aufsperrte. »Und dann?«, fragte er.
    »Dann hat er Gerry in den Oberschenkel geschossen. Aber der kleine Mistkerl hat keinen Ton von sich gegeben. Wir sind mit ihm den ganzen Weg zurück nach Belfast gefahren, die ganze Zeit mit der Bleikugel im Schenkel, und bis wir ihn zu Hause bei seiner Ma absetzten, hat er nur geschwitzt und geblutet, sonst nichts.«
    »Mein Gott«, entfuhr es Campbell. »Und jetzt glauben Sie, dass er McKenna und Caffola erledigt hat?«
    McGinty zuckte die Achseln und warf die Zigarette zu Boden. »Wie schon gesagt, wer sonst?«
    »Und warum wurde er noch nicht beseitigt?«
    »Weil ich auf meine alten Tage weich werde.« McGinty lächelte und schlug Campbell auf die Schulter. »Mehr will ich dazu nicht sagen. Ich habe ihm einen kleinen Auftrag gegeben. Du weißt schon, nur um zu sehen, ob er macht, was man ihm sagt. Ob er unter Kontrolle ist.« McGinty beugte sich zu Campbell. »Und jetzt kommen wir zu dem, wofür ich dich brauche …«

Fegan stand auf der anderen Seite des niedrigen Gartenmäuerchens. Das kleine Mädchen musterte ihn abschätzend.
    »Wie heißt du?«, fragte sie von der Tür her.
    »Gerry«, sagte er.
    »Ich habe neue Schuhe.« Sie streckte zur Begutachtung einen Fuß vor. »Hat Mummy mir gekauft.«
    »Sie sind schön«, sagte Fegan. »Ellen, zeig Gerry mal die Lichter.«
    Ellen sprang von der Treppenstufe auf den schmalen Gartenweg. Auf den Sohlen blinkten kleine rote Lämpchen auf. Sie sah zu Fegan hoch und grinste ihn an.
    »Du springst aber gut«, lobte Fegan.
    »Ja, ich kann ganz hoch springen«, sagte sie und reckte die Arme über den Kopf, um es zu demonstrieren. »Zeigmal«, sagte er.
    »Na gut«, sagte Ellen und hockte sich hin. Sie drückte sich mit aller Kraft hoch und platschte sofort auf die Füße. »Das war ganz schön hoch, oder?«
    »Ja«, sagte Fegan.
    »Wie hoch kannst du springen?«
    »Nicht so hoch.«
    »Zeig mal.«
    »Nein, ich bin zu müde«, wehrte Fegan ab.
    »Aber ich hab’s dir doch gezeigt.« Ellens kleine blaue Augen bettelten ihn an.
    »Ach, kommen Sie schon«, sagte Marie. »Das schulden Sie ihr jetzt.«
    Fegan spähte die Straße hinauf und hinab. Marie und Ellen kamen zu ihm auf den Bürgersteig.
    »Keine Sorge, es guckt schon keiner zu«, sagte Marie und unterdrückte ein Kichern.
    Seufzend ging Fegan in die Knie und überlegte dabei, wann er wohl das letzte Mal gesprungen war, nur um einfach mal zu springen. Er hopste hoch und kam schwankend und mit platschenden Ledersohlen wieder auf dem Bürgersteig auf. Marie und Ellen

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