Die Schatten von La Rochelle
Buckingham ist tot. Graf Lindsey befehligt jetzt die Flotte, und er rät uns«, wieder hielt er inne; seine Hände kra m pften sich um die Kanzel, »er rät uns, den König um die Kapitulation zu ersuchen.«
Jacqueline zeigte keine Erleichteru n g. Sie wei n te zum ersten m al seit lan g er Zeit, aber s ie weinte a u s F urcht, »Sie werden uns alle u m bringen«, flüsterte sie. » W ie in der Bartholo m äusnacht. P aul, ich weiß es ganz bestim m t , sie werden uns alle u m b r ingen.«
Er konnte sie nicht beruhigen, nicht trösten, vor allem deshalb nicht, weil er das selbst für wahrs c heinlich hielt. Er beherrschte die Kunst zu t ö ten m ittler w eile b e sser als die m eisten Überle b enden in La Rochelle, aber wie konnte er sie in seinem ausgehungerten Zustand gegen die königliche Ar m ee v e rteidigen?
Er nahm ihre Hände in die seinen. »Jacquette«, sagte Paul, »ich werde dafür sorgen, daß ich zu der Gesandtschaft gehöre. Was auch im m er ausgehandelt wird, ich schwö r e dir, ich w erde es d ir erzählen, und ich werde dir auch sagen, ob ich glaube, daß die Bedingungen eingehalten werden.«
» W as, Ihr auch ? « fragte Guiton, nachdem Paul seine Bitte vorgetragen hatte. »Nun, ich neh m e an, ich kann nie m and e m Vorwürfe m achen. Ihr hofft natürlich, daß die Königlichen Euch etwas zu essen geben. Nur zu, Ihr habt es Euch verdient.«
Paul hatte nicht daran gedacht, aber andere taten es. »Kannst du m ich als deinen Diener m itneh m en ? « bat Si m on verlegen.
» W enn du den Mund hältst. Ich weiß zwar nicht, wie die englischfranzösisc he n Beziehu n gen zur Zeit stehen, aber ich h abe n i cht d i e Absicht, derjenige zu sein, der den Kardinal provoziert.«
Am Ende waren es sechs offizielle Abgesandte, die sich auf den Weg zu d e m nächstgelegenen Fort m achten. Diejenigen von ihnen, die noch lebende Söhne hatten, gaben sie als ihre Diener aus, so daß Si m on nicht auffiel. Paul spürte e i ne eige n artige W achheit in sich pulsieren, während m an sie zu dem Haus bei Pont-de-la-Pierre brachte. Also würden sie ihn endlich s e hen, würde er ihn sehen, den Mann, der für das vergangene J a hr verant w ortlich war.
Er bat sie nicht herein; er wartete auf einer d er Palisa d en, die er um das alte Haus der Bernes hatte bauen lassen, auf sie, wandte ihnen den Rücken zu und schaute auf das Meer hinaus, bis der Marschall Basso m pierre sich räusperte und sagte: »Monseigneur, die L eute aus La Rochelle sind hier.«
Richelieu drehte sich um. Pauls erste Reaktion war Überraschung; er hatte sich den Kardinal größ e r vorgestellt. Auf diese W eise entging ihm fast, daß Pastor Salbe r t sichtlich zusam m enzuckte. Ein schlechter Anfang; der P astor war m it der undankbaren Aufgabe betra u t, ihr Wortführer zu sein. Richelieu sa g t e nichts, er wartete, bis Salbert sich wieder gefangen hatte und m it seiner Ansprache begann. Paul hörte die W orte kau m ; er v e rsuchte, die reglose Miene des Mannes zu entschlü s sel n .
Die tiefliegenden schwarzen Augen verrieten nichts. Doch häufig erzählt die Körperhaltung von Mensc h en Dinge, die selbst die beherrschtesten unter ihnen nicht unterdrücken können. Der Kardinal trug u n ter s einem roten Mantel einen Panzer und Hosen statt eines Ornats, und der kriegerische Aufzug schien ihm nicht ungewohnt oder unbeq u em zu sein. Doch was Paul widerwillig faszinierte, waren die Hände, die langen, feingli ed rigen Finger, die nicht d i e eines Kriegers waren, sondern eher einem Arzt oder Gelehrten gehören sollten. Sie waren es, die eine Reaktion verrieten; als der Pastor endlich zu den Bedingungen ka m , die Guiton stellte.
»… und daher«, schloß Salbert, »müssen wir darauf bestehen, daß uns unsere früheren Privilegien gar a ntiert und schriftlich festgesetzt werden. Die Soldaten unserer Garnison, ob nun Engländer oder Franzosen, müssen unter m ilitärischen Ehren b ezeugungen abziehen dürfen, wie es ihrem Heldentum w ä hrend des vergangenen Jahres entspricht. Mada m e de Rohan soll den ihr aberkannten Adelsrang wieder erhalten. Und schließlich e n t s p ri c h t es nu r der einzigartigen Stellung von La Rochelle, wenn der König m it uns einen Friedensvertrag schließt, kein Par…«
Paul, der beobachtet hatte, wie sich die Hände des Kardinals um eine Papierrolle geschlagen hatt e n, war als einziger vorgewarnt, und doch ließ auch ihn der Ausbruch, der den Pastor unterbrach, erstarren.
»Das genügt, bei
Weitere Kostenlose Bücher