Die Schatten von La Rochelle
Gott! Mir scheint, Messieurs, Ihr verkennt Eure Lage noch immer. Eine solche Unverschämtheit ist nicht nur stur, sondern geradezu verbrecherisch dum m , und falls Ihr das noch i mm er nicht begriffen habt, dann weiß ich wirklich nicht, w arum Ihr Euch hierherbe m üht habt!«
»Aber Monseigneur«, sagte Salbe r t, nun grau im Gesicht, »wir können Euch doch die Stadt nicht einfach übergeben, nicht nach…« Er m achte eine hilflose Geste. » W ir m üssen doch Bedingungen haben, die uns garantieren, daß Ihr nicht…«
»Rebellen, die sich im Aufstand gegen ihren König befinden, haben keine B edingungen zu stellen!«
König? Ich sehe hier keinen König, dachte Paul, ich sehe nur Euch. Die übrigen Gesandten begannen nun e b enfalls, lauthals zu protestieren. Endlich fragte Salbert ers c höp f t: »Aber was erwartet Ihr denn von uns, Monseigneur?«
»Die bedingungslose Kapitulation.«
Bedingungslos! Paul starrte ihn an. Er hatte als einziger nicht gesprochen, u nd es schien ih m , als bliebe der Blick des Kardinals kurz auf ihm haften, ehe er sich wie d er auf den Pastor richtete. Bedingungslos! D as bedeutete…
»Monseigneur«, sagte der Pastor leise, »habt doch Mitleid. Ein Versprechen des Königs, Euer Versprechen, daß es zu keinem Massaker kommen wird, wenn Ihr die S t adt überneh m t , würde uns schon genügen.«
»Meine Antwort kennt Ihr. W as den König angeht, er befindet sich auf einer Exkursion und wird in acht Tagen zurückkehren. Wenn Ihr ihn dann di r ekt um seine Gnade bitten wollt, so steht dem nichts im Wege. Um s eine Gnade.«
» W as, Monseigneur, in acht Tag e n ? « platzte der Bankier Rissot heraus. »In La Rochelle reichen d i e Vorräte k ei n e drei Ta g e m ehr!«
Die steinerne Miene blieb ungerührt. »Das ist Euer Proble m .« Da m it wandte er ihnen den Rücken zu, unzugänglicher als die See, auf die er hinausblickte.
»Ein Massaker«, sagte Salbert fas s ungslos, als sie wieder auf die Stadt zustolperten. » E r plant ein Massaker. Und wenn wir alle sterben es ist ihm gleichgültig, es nimmt nur v o rweg, was er ohnehin vorhatte. Der Teufel wohnt in diesem Mann.«
»Es wird eine zweite Bartholo m äu s nacht geben«, stieß Simon hervor. »Genau, wie es der Herzog pro p hezeit hat.«
Als Paul ihn hart an der Schulter packte, stöhnte er überrascht auf.
»Kein W ort davon zu J a cqueline, hörst du ? «
»Aber du hast ihr doch versprochen, ihr d i e W ahrheit zu erzählen, wie sie auch lauten m ag.«
»Du glaubst doch nicht«, sagte Paul kalt, »daß das m ein Ernst war. Sie m uß jetzt vor allem ruhig bleib e n. Ich habe einen Plan, und wenn er gelingt, dann ist es m i r gleichgültig, ob die Bartholo m äusnacht sich tatsächlich wiederholt, ver s tehst du? Es ist m i r gleichgültig.«
Auf S i m ons Gesicht erkannte er denselben Ausdruck wie da m al s , als er, Paul, aus den Sümpfen gekommen war, doch der junge Mann, m it d e m er früher gescherzt und gelacht hatte, schwieg und sagte nichts w e it e r.
Paul verließ den Rest der Gesan d tschaft, sowie sie das Stadttor passiert hatten, und ging direkt in das Gefängnis, in dem m an den Marquis de Feuquières, den einzigen Gefangenen von Rang, den die Rochelleser im vergangenen Jahr ge m acht hatten, untergebracht hatte.
»Der Bürger m eister schickt m ich«, sagte er zu dem einzelnen Mann, der m ittlerweile die gesa m te W ache darstellte. »In den Ve r handlungen gibt es Schwierigkeiten. Ich soll den Gefangenen zu ihm bringen.«
Der W achmann kannte Paul, er hatte zu denjenigen gehört, die gelegentlich m it ihm hinter der Schleuse zu den Salzsü m p fen gewartet hatten. Es gab keinen G r und, an seinen W orten zu zweifeln, und im übrigen h atte ihn d ies el be l e thar g i s che Gleich g ültig k eit be f allen, die jetzt die m eisten Überlebenden zeigten.
Feuquières, der im März gefangengenom m en worden war und sich daher in wenig besserer Verfassung befand, b e merkte erst, als sie vor dem Hôtel Rohan standen, daß etwas nicht stimmen konnte.
»Das ist nicht das Ratshaus«, m einte er unsicher.
»Nein. Aber wenn Ihr w i ßt, was gut für Euch i s t, dann werdet Ihr genau das tun, was ich Euch sage.«
Es war der P l an, den er s i ch als letzten Ausweg zurecht g ele g t hatte. Aus der Stadt herauszukom m en w a r nicht weiter schwer; er kannte die ei n zelnen Pfade nur allzug u t. Auch den Frauen, die seinerzeit versucht hatten, sich von den königlichen Soldaten ihre Nahrung zu holen, war
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