Die Schatten von La Rochelle
es ohne weiteres gegl üc kt; von d en vielen Flüchtlin g en ganz zu schweigen. Es waren die S oldaten und ihre m ehrfachen Ringe um die Stadt, bei denen die Sch w ierigkeit lag. Aber wenn er den Marquis de Feuquières, der die Bürger von La Rochelle bei seiner Gefangennah m e hochmütig infor m iert h a tte, er sei der V e tt e r des Pater Joseph, der rechten Hand des Kardinals, und kein Nie m and, als Geisel hatte, konnte er sich m it Jacqueline und dem Kind den Durchgang erzwingen, falls man sie stellte.
Er wußte, daß Guiton Feuquières als letzten Tru m pf für die Verhandlungen aufgespart hatte, sollte der Kardinal die Haltung zeigen, die der Bürger m eister von ihm erwart e t e. Tut m i r leid, M onsieur le Maire, dachte Paul e m otionslos. Ihr werdet bedingungslos kapitulieren m üssen. Und Jacqueline und das Kind werden überleben, und ich werde den Wolf i m Purpurgewand eines Tages für all das bezahlen lassen.
Feuquières warf ihm nur einen Bli c k zu und protestierte nicht weiter. Paul g i n g m it ihm in die Küc h e, wo sich Jacqueline jetzt ständig aufhielt, aber sie war nicht dort. Er rief nach ihr, ohne eine Antwort zu erhalten. Seine Großtante befand sich im Ratshaus, das w ußte er. Sollte J acq u eline zu ih re n Eltern zu r ückgekeh r t s ei n ?
Um sicherzugehen, durchsuchte er die Räu m e, die im Hôtel Rohan noch bewohnt wurden. In ihrem S c hlafzim m er schließlich fand er sie, das Ki n d so an ihrer Brust, wie er es nach der Geburt zum ersten m al gesehen hatte. Es rührte sich nicht, das fiel ihm als erstes auf; kein W i mmern, kein Ate m zug. Neben dem Bett lag ein kleines, wie fortgeschleudertes Kissen. Dann sah er, was Jac q ueline in i h rer anderen Hand hielt. Es war die Pistole, die er ihr als Schutz gegen m ögliche Überfälle durch Verzweifelte g e geben hatte. Er hatte sie gelehrt, wie m an sie gebrauc h te.
Ihre Augen waren weit aufgerissen. Er wußte nicht, wie la n ge er da stand und auf seine tote Frau und sein totes Kind herabschaute. Als ihm endlich ein Geräu s ch bewußt wurde, eine entsetzte Mischu n g aus W ürgen und Keuchen, hatte das Licht sich verändert; es m ußte Nach m ittag, m ußte Abend geworden sein.
Feuquières war verschwunden. Es war Si m on, der im Türrah m en stand und sinnlose Laute stam m elte, die Pauls Gehirn erst nach einiger Zeit zu verständlichen W ortkett e n zusam m enset z te.
»Mein Gott! O Gott, Paul, wenn ich gewußt hätte, daß sie das tun würde… wenn ich geahnt hätte…«
»Du hast es ihr gesagt.«
»Ich… ich… ich hätte nie geglaubt…«
»Du hast es ihr gesagt«, wiederholte Paul, »du hast es ihr gesagt.« Sein Verstand fing wieder an, zu a r beiten. Er sah alles sehr klar und deutlich vor sich, bis zu der k l einen Narbe, die sich von Si m ons Oberlippe zu seiner Nase zog. All e s trat schär f er, ausgeprägter als sonst hervor.
Si m on stotterte weiterhin irg e nd etwas von Ahnungsl o sigkeit, Ehre und einem Versprechen, das auch er Jacqueline hatte geben m üssen. Als Paul ihn packte und m it ein e m Schnitt seines Messers den Gürtel durchtrennte, an d e m s e in Degen hing, stockte er m itten im Satz. Was er in Pauls Gesic h t sah, veranlaßte ihn zu einem letzt e n Versuch, sich loszureißen, doch er blieb erfolglos.
»O ja«, sagte Paul und stach zum ersten m al zu, »das ist es, worauf du die ganze Zeit gewartet hast, m ein Freund, nicht wahr? Nun, du sollst es bekom m en. D a s eben w a r eine Bauchwunde, sehr sch m erzhaft, sehr unangeneh m , a ber es dau e rt einige Zeit, bis m an daran verblutet. Das«, ein weiterer Schnitt, »ist nicht im geringsten tödlich, aber es m acht das Sprechen etwas schwer, oder n i cht?«
Si m on weh r te sich, doch gegen das, was Paul jetzt trieb, kam er nicht an. E r hatte noch nie aus R ache getötet, nie m als verwundet, um Sch m erzen zuzufügen, doch er stellte fest, daß er es genoß. Si m on schreien zu hören, löschte für kurze Zeit die erdrückende Gegenwart von Jacqueline und dem Kind au s . Geist und Körper ganz auf Simons Vernichtung zu konzentrieren, m achte es sogar m öglich, die kalte weiße Glut, die ihn erf ü llte, Vergangenheit und Zukunft verbrennen zu lassen.
Als S i m on e ndlich tot war, be m erkte Paul, daß die Nacht angebrochen sein mußte; es war dunkel. Er kehrte zu dem Bett zurück, auf dem seine Frau und sein Sohn lag e n, und wartete darauf, daß die ersten Sold a t e n au f taucht e n. Kein Selbst m ord, nicht f ür ih n ; er
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