Die Schatten von La Rochelle
anderes.
»Die Bestätigung des Heili g en Stuhls ist d a«, sa gt e er zu sei n em Protege. »Im Februar wird Euch off i ziell der Kardinalsh u t verliehen werden.«
»Doch nicht in Ro m ? « fragte G i ulio Mazzarini beunruhigt. »Ich würde Euch jetzt ungern allein lassen, Monseigneur.«
Es m achte einen Teil v o n Mazzarinis Char m e aus, daß er derartige Äußerungen ohne Hintergedanken tat, doch der Kardinal konnte nicht anders, er entgegnete ironis c h: »Oh, m acht Euch keine Sorgen, Co l m ardo, ich habe nicht die Absicht, zu sterben. Zu m i ndest nicht, ehe ich beim König durchgebracht habe, daß Ihr m i ch als Erster Minister ersetzt.«
»Ich könnte Euch nur n achfolgen«, parierte Mazzarini, » n ie ersetzen.« Und m it einem Lächeln, das dem zweischneidigen Ko m pli m ent die Schärfe nah m , fügte er hinzu: »Ich habe nicht Eure terribilita.«
»Sehr wahr«, antwortete der Kardinal trocken. »Aber ich habe das Gefühl, die Zeit für t er ribilita ist all m ählich vorüber. Ihr habt ein Talent dafür, Frieden zu schließen, Co l m ardo, und zwar so, daß derjenige, für den Ihr Frieden schli e ßt, dabei gewinnt, und genau das braucht der Staat jetzt. Obwohl es Euch schwerfallen dürfte, noch ein m al etwas so Dra m atisc h es auf die Bei n e zu stellen wie Euren ersten F r iedensschluß.«
Giulio Mazzarini versuchte verge b lich, bescheiden dreinzuschauen. Es war eine seiner liebsten Erinn e rungen, wie er als junger päpstlicher Abgesandter, direkt von sei n er ersten Begegnung m it Richelieu kom m end, vor den Mauern von C asale in einem halsbrecherischen Galopp zwischen die au f einander z u rückenden spanischen und französischen T ruppen geprescht war. D a s lag m ehr als eine D ekade zurück, aber er konnte noch im m er den W ind auf seiner Haut spüren, die ersten K anonen hören, die bereits das Feuer eröffnet hatten das Bewußtsein, jeden Moment sterb e n zu können; die pure Freude, am Leben zu sein.
»Pace, pace! Alto, alto!«
Und die Soldaten hatten innegehalten. Der Kardinal, der sein Mienenspiel beobachtete, lachte. »Be m üht Euch nicht, Col m ardo. Es war wundervoll, hochdra m atisch, selbst unser Sieur Corneille hätte sich nichts Besseres einfallen lassen können, und es hat uns Mantua eingebracht.«
Sein Lachen ging in ein Husten üb er , kein Hüst e ln, wie es b ei ihm öfter vorkam, sondern ein sch m erzhaftes Ringen um Luft, das ihn beinahe zerriß. Mazzari n i sprang auf.
»Ihr seid krank, Monseigneur«, sagte er. Jede Heiterkeit war aus seiner Stim m e verschwunden. »Ihr solltet Euch ins Bett legen. Ich werde Eure Ärzte rufen lassen.«
Der Kardinal winkte ab. Als er w i eder sprechen konnte, erwiderte er: »Spart Euch die Mühe. Sie sind an m eine Krankheiten gewöhnt. Nein, Colmardo, es gibt heute noch zu viel zu erledigen. Wenn ich recht m it meiner Vermutung habe, ist doch noch etwas terribilita nötig. Und dann…«
Er hielt inne und blickte auf die Uhr, die in einer Ecke des Rau m es stand. Es w ar ein W underwerk der Fein m echanik, das nicht nur die Stunden und Minuten anzeigte, sondern auch den Tag, den Monat, das Jahr. Ein Geschenk des Königs anläßlich der Unterwer f ung von La Rochelle.
»Habt Ihr daran gedacht, daß es möglicherweise nicht nur besser für Euch wäre, den Kardinalshut in Rom entgegenzunehmen, sondern auch si cherer ? « fragte er M azzari n i unver m ittelt.
»Ich habe daran gedac h t«, sagte G i ulio Mazzarini sehr ernst. »Aber ich ziehe es vor, bei Euer E m inenz zu bleiben.«
Der K a m i n in d e m kleinen Raum v e rbreitete genügend W är m e, um den W i nter draußen vergessen zu m achen. Als s i e ein Kratzen hörte, stand M arie auf, öffnete die T ü r einen Spalt und ließ die Katze der W i rtin herein.
»Das m uß a n Euch liegen«, sagte Paul. »Ich glaube, Ihr würdet sogar noch in der W üste eine Ka t ze finden, die Euch zuläuft.«
Sie spürte seinen Blick, während sie zu ihm zurückkehrte. Die Katze folgte ihr und rieb sich an ihren nackten Beinen, als Marie kurz stehenblieb, um den M ann, der halb angezogen auf der Kante des breiten Bettes saß, zu betrachten.
Es war immer noch neu für sie, sich vor einem anderen Menschen so verwundbar zu m achen und ihn selbst so zu erleben. Sie hatte geglaubt, diese speziellen Erinnerun g en an den Sieur de Co m balet längst überwunden zu haben, aber nach jenem ersten Kuß war ihr Körper unwillk ü r lich er sta r rt und h a tte ihr n i c h t m ehr gehorcht. W
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