Die Schatten von La Rochelle
sonst s o lltest du denn deine Einladung verdanken ? «
»Aber ich dachte…«
Heute sc h i en der Tag zu sein, an de m sich alle s eine Anna h m en als falsch erwiesen. Gewiß, er hat t e der Herzogin von Aiguillon gegenüber erwähnt, daß er schrieb, und Paul konnte ihr ebenfalls davon erzählt haben, während er, Raoul, bewußtlos gewesen war. Doch inzwischen war er fast so w e it gekom m en, ni c hts und nie m and e m m ehr zu vertrauen.
Sie m ußte ihn und Paul gesehen hab e n, denn sie neigte den K opf in seine Richtung, und er verbeugte sich hastig. » G eh schon«, m ahnte Paul.
Er ging, und er wußte, ohne sich u m zudrehen, daß Paul ihm folgte.
»Mada m e«, sagte er verlegen, aber aufrichtig, als er vor der Herzogin stand, »was für eine F r eude, Euch w iederzusehen. Ich weiß nicht, ob ich Euch für Eure Güte genügend gedankt habe.«
»Die Freude ist ganz auf m einer Seite«, erwiderte sie, »zumal ich Euch genesen sehe. Ich m uß geste h en, ich bin gespannt auf Euren Vortrag.« Ihre Augen glitten zu Paul weiter, der hinter ihm stehen mußte.
»Monsieur d ’Irsd m asens . «
»Mada m e.«
Also war es doch sie gewesen, die seine E inladung hierher bewirkt hatte, und eine absurde E r leichterung erfüllte ihn.
»Seid Ihr unserer Gastgeberin schon vorgestellt worden ? « erkundigte s i ch die Herzogin von Aiguill o n.
»Nein, Mada m e, wir sind g e rade erst eingetroffen.«
»Dann folgt m i r.«
Paul, der sich offensichtlich nicht angesprochen fühlte, blieb, wo er war, während Raoul bald vor d e m r i esigen Paradebett stand, in d e m die Marquise, die zarter G e sundheit war, lag und e m pfing.
»Ihr seid der junge Poet, von d e m m i r unsere Freundin erzählte ? «
»Ja, Madame la Marquise, ich…«
»Dann sollt Ihr nicht länger warten müssen.« Gebieterisch klatschte die Marquise de Ra m b ouillet in die Hände.
»Meine Freunde! Da der Frühling nun m ehr Einzug zu halten verspricht, habe ich beschlossen, auch hier der Jugend Einlaß zu gewähren. Hören wir zu, was unser jung e r Dichter vorzutragen weiß!«
Alle Augen richteten sich auf i hn, und Raoul w äre am liebsten im Boden versunken. Die Herzogin v o n Aiguillon nickte ihm zu. »Nur Mut«, flüsterte sie. Dann kehrte s i e zu ihrem Platz zur ü ck, hinter dem sein Bruder stand und auf sie w a rtete. Vielleicht, dachte er plöt z lich, h a tte er wir k lich alles falsch interpretiert. Und w e nn Paul es darauf angelegt hatte, der Her z ogin zu begegnen, erst im Palais Cardinal und dann hier, was war denn schon Schlechtes dabei? Möglich e rweise hatte er s ich in sie v erli e bt.
» W as werdet Ihr vortragen, Monsieur ? « erkundigte sich Chapelain nicht unfreundlich. Raoul errötete. Jet z t war nicht die Z e it, um über Paul nachzugrübeln.
»Eine m einer Tragödien«, sagte er leise, räusperte sich und wiederholte dann etwas lauter, »eine Tragödie. D as heißt, den dritten Akt. Sie h e ißt Camille, und der S t off, den ich m i r gewählt habe, greift auf die rö m i sche Sage von den Horatiern und Curiatiern zurück.«
Leises Gelächter und Ge m u r m el machten die Runde, und Chapelain fragte a m üsiert: »Junger Mann, wißt Ihr nicht, daß Monsieur Corneille just über diesen Stoff e b enfalls eine Tragödie geschrieben hat, Horace, die er im letzten W i nter hier vorlas? Sie wird in d e n nächsten W ochen urau f geführt werden.«
Raouls W angen brannten wie Feu e r. »Nein, das wußte ich nicht«, stam m elte er. »Ich bin ein großer V erehrer von Monsieur Corneille. Ich habe jede einzelne Vorstellung des Cid besucht, das h eißt, ich m eine…«
Er kam sich vor wie ein Tölpel. Chapelain war es gewesen, der in dem berüh m ten Streit um Corneilles Cid im N a m en der Acade m ie Francaise die »Bedenken der Akade m ie gegen den Cid« veröffentlicht hatte. »Ich wußte es nicht«, schloß er niedergedrückt.
W ieder erklang verei n zeltes Lache n , und Corneille erkundi g te sich hil f reich in seinem bedächtigen no r m annischen Akzent: »V iell e icht möchtet I h r ein and e res Eurer W erke vortragen, Monsieur?«
Schlim m er konnte es nicht m ehr w e rden. Raoul erfaßte plötzlich der Mut der Verzweiflung. »Nein«, sagte er entschlossen. »Ich lese aus Camille . «
»Euer Bruder ist sehr tapfe r «, be m erkte Marie zu Paul d’Irsd m asens, während Raoul s e ine m itgebrachten Manus k ripte o rdnete.
»Er ist jung«, erwiderte Paul.
»Ihr da g eg e n seid alt?« f ragte s ie ein
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