Die Schatten von La Rochelle
öfter besucht. Nicht daß sie t ö richten Narreteien anhing, sagte sie sich hastig, während sie ihr Kleid zurechtrückte, es war nur christliche Nächstenliebe, die sie veranla ß te, sich hin und wieder m it d e m seltsa m en Mann zu unterhalten, der W unsch, ihm etwas mehr beizubringen, als es die Patres in Neufrankreich offensichtlich getan hatten.
Er arb e it e te als Sch m ied im Kolleg der Jes u iten in Paris u n d hatte daher keine Schwierigkeiten gehabt, sich ein Pferd zu besorgen. Da Charlotte sich an seine Worte üb e r Steinhäuser ohne W älder erinnerte, fragte sie ihn, ob ihm Rueil besser gefalle. »Mehr W ald«, sagte sie, »kann m an sich doch gar nicht wünschen. Als ich zum ersten m al hierherka m , dachte ich, wir führen in die W ildnis.«
Seine M i e n e zeigte ei n en Ausdr u ck, den sie langsam als Belustigung zu erkennen lernte. Nicht daß er offen lächelte. Charlotte war noch nie ein so ernster Mann begegnet.
»Du weißt nicht, was die W älder wirklich sind, Charlotte Dieudonnée«, sagte Matthieu. »In m einer Hei m at kann ein junger Krieger, der s e inem Schutzgeist begegnen will, v ier m al eine Hand v oll Tage laufen, und hat die Bäu m e noch i m m er nicht hinter sich gelassen. Und es sind keine klein e n Bäu m e wie die e u ren . «
»Klein!« stieß Charlotte hervor und schaute zu dem unübersichtlichen Park hinüber. Matthieu ließ eine Spur von Sehnsucht in seiner Stim m e ank l ingen.
»Man braucht m anch m a l sechs Männer, die sich die Hände geben, um sie zu umfassen. Im Herbst, wenn die Sonne ihre große Reise ant r itt, trän e n die Augen m anch m al, wenn m an auf das Laub scha u t, so hellrot flammt es.«
»Du hast wohl Hei m weh ? « erkundigte s ich Charlotte ein wenig spitz. Aus irgendeinem Grund ärgerte sie das.
»Nein«, entgegnete Matthieu, »denn ich weiß, daß m ich der nächste Sonnenu m l auf zurückbringen w i rd, da m it ich m einem Volk über euer Land berichte.«
»Ich dachte, du seist ein Diener von Pater Columban«, sagte Charlotte überra s cht. »Ich wußte nic h t, daß du ein Gesandter von eurem König bist.«
Matt h ieu s c hütt e lte den Kopf. »Nicht König. Auch das verstehe ich nicht, Charlotte Dieud o nnée eure Könige. W i r wählen uns unsere Häuptlinge aus dem R a t der Männer, die sich in Krieg und Frieden bewährt haben. Der Kriegshäuptling ist nicht der Friedenshäuptling. Ihr habt nur einen Häuptling, und doch sagt Pater Columban, daß Euer Medizin m ann für ihn regiert. W arum wählt i h r nicht ihn als Häuptlin g ? «
»Könige werden nicht gewählt«, sagte Charlotte schockiert. »Sie sind Gottes Ebenbilder auf Erden und regieren in seinem N a m en.«
Aufrichtige Verwirrung zeigte sich bei Matthieu. »Aber Pater Colu m ban«, protestierte er, »hat m i r gesagt, daß wir alle Ebenbilder des Großen Geists sind. So lehren es alle Schwarzröcke.«
Charlotte gab es auf. Er war, dachte sie, wohl doch noch zu sehr in seinen wil d en Vorstell u ngen ge f angen. Außerdem, gestand sie sich hei m lich ein, waren ihr selbst König und Gott viel zu selbstverständlich, als daß sie je darüber nachge d acht hätte, und daher fehlten ihr augenblicklich auch die Argu m en t e. Also wechselte sie das Gesprächsthema und fragte, wie sich seine Tätigkeit als Sch m ied anließ.
»Auch deswegen bin ich froh, hier zu sein«, entgegnete Matthieu.
»Ich lerne immer neue Wege, u m d as Eisen zu f ormen. Sieh her.«
Er hielt i h r etwas entgegen, das auf den ersten Blick aussah wie eine Münze, die zu einem Anhänger u m gearbeitet worden war. Dann erkannte sie, daß es sich in der Tat um einen Anhänger handelte, der jedoch eher länglich als rundlich w a r. Er glich einem Stab, der m i t lauter kleinen Kugeln besetzt war.
» W as ist das?« fra g te s i e unsic h er. Zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, wandte Matthieu tatsäc h lich den Blick ab, während er m it ihr sprach.
»Ein Maiskolben, für Glück und Fruchtbarkeit. Ein Geschenk für die Gastfreundin.«
Charlotte wußte nic h t, was sie sa g en sollte. Sie ent s chied sich schließlich f ür ein vernünftig und sachlich klingendes »Danke«, aber als sie den kleinen Anhänger entge g ennah m , konnte sie nicht verhindern, daß ihre Hand die seine einen Mo m ent länger berührte als notwendig.
21. KAPITEL
Die Königin stand stu m m a m Fen s ter und blickte auf den Innenhof des Louvre. Seit Cinq Mars zu Ende gesprochen hatte, stand sie so, reglos, ihm
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