Die Schatten von La Rochelle
Louis, war nie allein gewesen, er hatte Freunde gehabt, er war m it ihnen s o zwanglos u m gegangen, wie seine Musketiere es untereinander taten. Aber das war nicht die Vorstellung, die der Kardinal von einem König besaß. Nein, dachte Louis verbittert, er hat m i ch zu einer reglosen Statue ge m acht, die weit von allen anderen Menschen ent f ernt ist.
Der wahrhaft souveräne Fürst kann niemanden haben, der ihm ebenbürtig und gleichgeste l lt ist, ebenso wie Gott, dessen Abbild er ist, niemanden haben kann, der ihm ebenbürtig und gleichgestellt ist. Alles gut und schön, E m inenz, aber ich bin derjenige, der auf d e m Thron sitzen m uß. Er at m ete schwer; der Kragen, den er trug, schien auf ein m al zu eng zu sein. Louis warf einen Blick in den nächsten Spiegel und stellte fest, wie unges u nd seine Gesichtsfarbe aussah. Es war wieder ein m al Zeit für den Aderlas s er, um die Säfte auszugl e ichen.
Natürlich gab es Belohnungen für den einsa m en Platz auf dem Thron. Er war Herrscher eines Reiches, das rasch m ächtiger wurde als alle an de ren in Euro p a. Das Kai s err e ic h ? Ze r r üttet in ei n em jahrzehntelangen Krieg. England? Auf dem Meer gewiß m ächtig, aber im eigenen Land m ußte sich Schwager Charles m it seinem aufsässigen Parla m ent heru m schlagen, das, wie m an hörte, im m er unverschä m tere Forderungen stellte. So etwas wagte hier dank des Kardinals nie m and m ehr. Die Generalst ä nde waren seit Jahrzehnten nicht m ehr zus a m m engetreten, und sie w ürden auch nicht m ehr zusa mm entreten.
Dank des Kardinals. Louis dachte an das letzte Mal, als die Generalstände sich versammelt hatt e n. An die Enttäuschung, die er bei dieser Gelegenheit, als er zum ersten m al eine offizielle Am tshandlung beging, in jeder m a nns Augen gelesen hatte: W i e unähnlich er seinem Vater war. S e in Vater h a tte keinen Kar d inal g ebra uc ht, um den Hochadel zu zäh m e n und in Europa respektiert zu werden, und für ihn war es nicht notwendig gewesen, als unnahbare Statue auf einem einsa m en Thron z u sitzen.
Doch halt: nicht ganz einsa m . Er hatte Cinq Mars, der ihn liebte. Ja, dachte L ouis, während er nach seinem Arzt rief, ich habe Cinq Mars.
20. KAPITEL
Wenn der König in seinem Jagdsch l oß in Versailles weilte, hielt sich der K a rdin a l f ür gewöhnlich in Rueil au f . Marie lie b te Rueil. Die Gärten hatte ihr Onkel selbst geplant und anlegen lassen, keine strengen geo m etrischen For m en, wie sie im m e r m ehr in Mode ka m en, sondern ein Park, der den Eindruck einer natürlichen Landschaft erwecken sollte. Zwischen Bäu m en aller Arten und Größen und den bemoosten Felsen verband e n sich die zahlreichen Wasserspiele schließlich zu einem einzigen Fluß, der in eine Grotte m ündete, wo sich erneut Kas k aden wölbten, so daß man die natürliche Felsendecke fast nicht m ehr erkennen konnte.
Die Schönheit von Rueil war beruhigend, und sie hatte ihre Spaziergänge dort im m er genossen, b e sonders in den letzten Sommertagen, wenn die W asserspiele noch ein m al ihre ganze Pracht entfalteten und die ersten Blätter sich b e reits bunt zu verfärben begannen. Aber in diesem Spätsommer wollte sich d ie b eruhigen d e W irkung nicht einstellen.
»Monseigneur«, sagte sie zu ihrem Onkel, während sie durch die Kastanie n allee schritten, die Jean M a ignan, sein Lieblingsgärtner, für ihn angelegt hatte, »ich habe e i nen Brief der Königin m utter erhalten.«
Es war nur eine der Angelegenheit e n, die sie beschäftigten, aber ein guter Anfang. »Sie will aus d em Exil zurückkehren u nd bittet m ich um m e ine Ver m ittlung bei Euch.«
Er verstand augenblicklich, was sie ungesagt ließ. »Und nun, da es geschehen ist, seid Ihr Euch nicht m ehr sicher, ob es ric h tig war, es sich zu wü n sche n ?«
Der Tag der Geprellten war es, an den sie beide dachten. Da m als hatte für den Kardinal noch ein m al alles auf dem Spiel gestanden. Die Feindschaft der Königin m utter hatte sich in einem Au s m aß gestei g ert, daß es für alle offensichtlich wurde, welche E n tscheidung dem König bevorstand: der Kardinal oder sei n e Mutter. Seit er sich wieder, dank des Kardinals, m it seiner Mutter versöhnt hatte, war sie die einflußreich s t e Frau bei Hofe g e wesen, bei weitem m ächtig e r als die Königin.
Für Marie, d ie da m als zu dem H o fstaat der Königin m utter gehörte, war es eine Zeit gewesen, die fast an die finstersten W ochen ihrer Ehe
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