Die Schatten von La Rochelle
erhöht habe.
» W issen sie denn nicht, warum er das tut, war u m er die Lizenzen für die Schauspieler durchgesetzt, ihnen dieses Theater zur Verfügung gestellt und die S chriftsteller er m utigt hat, für das Theater zu sc h r e i b e n ? «
Sie hatten einen Stehplatz im P a rkett. Raoul wirkte zerstreut und leicht abgelenkt, als er ergeben z u rückfragte, w ährend er mit seinen Augen die Ränge abtastete: »Und warum hat er es deiner Meinung nach getan?«
»Brot und S piele, Irsdmasens, B r ot und Spiele! Der Mann hat seinen Tacitus gelesen. E in Volk, d a s unterhalten w i rd, m urrt nicht.«
»Mir scheint, du bist es, der zuv i el Machiavelli gelesen hat«, entgegnete Raoul. »Muß denn hinter jeder seiner Handlungen eine gerisse n e Absicht s t ecke n ? Außerdem müßte er in diesem Fall län g st ge m erkt haben, daß es nicht wirkt. W ir m urren doch alle und gehen trotzdem ins Theater.«
Er schien nicht gefunden zu haben, wen er suchte, zuckte die Achseln und m achte sich auf den W eg zu der kleinen Anrichte, auf der unterhalb der W endeltreppe, die zu den Rängen führte, Konfekt und Likör angeboten wurden. »Kom m , ich habe Hunger, und wenn es erst angefangen hat, m ö chte ich keine Sekunde verpassen.«
Talle m ant lag eine spitze Erwiderung auf der Zu n ge, aber er f olgte Raoul, zahlte seufzend für seine ei g enen gezuc k erten Pfla u m en und gab seine A ntwort sc h ließlich in a b ge m ilderter Form preis.
»Das Problem m it dir ist, Irsd m asens, daß du immer dazu neigst, das Beste von den Leuten an z uneh m en, sogar von offenkundigen Monstern.« Unfähig, sich das zu verkneifen, fügte er hinzu: »Natürlich arbeitest du jetzt für einen seiner Günstlinge.«
Raoul wollte aufbrausen, besann sich jedoch eines besseren. »Daß ich f ür d i e Gazette schreibe, bedeutet nicht, d aß ich d as D e nk en v e r lernt hätte«, versetzte er. »Und…« Er brach ab. Talle m ant folgte seinem Blick und sah, wer gerade zu den Rängen emporstieg.
»Aha«, sagte er vieldeutig.
» W as heißt hier Aha! Wenn ich einer Da m e, die so großzügig zu m ir war, was m an von dir übrige n s nicht behaupten kann, m eine Aufwartung m achen möchte, so ist das m eine Sache. Ich werde jet z t…«
»… zurück in den Saal gehen«, vollendete Talle m ant. »Die Musiker haben gerade au f gehört zu spiel e n. Ich denke, du willst kein W ort des unsterblichen Corneille verpassen ? «
Raoul hatte Horace nun schon m ehrere Male gesehen, aber es zog ihn im m er wieder in ein Theater, in dem dieses Stück gegeben wurde. Jedes m al war es, als stieße er s i ch einen Stachel ins Her z , aber er konnte und wollte n i cht darauf verzichten.
»Für Alba bin ich nicht, nicht mehr für Rom. Ich fürcht’ in diesem Kampf für beide.«
Oh, die Gabe zu haben, einen dra m atischen Konflikt so auf den Punkt zu bringen wie Corneille!
» O sah ich doch die Stadt in A s che fallen, und deine Lorbeern sinken in den Staub!«
Seine Ca m ille sagte nic h ts Vergl e ic h bares, a ls sie ihren Bru d er anklagte, der ihren Liebsten u m g e bracht hatte. Und dann die Schlußwendung, nicht den Tod, sondern das alltägliche Leben m it sein e r Tat für Horace zur Bestrafung zu m achen! Warum hatte er daran nicht ge d ac h t?
Doch hin und wieder, sagte sich Raoul, und ein Hauch Befriedigung legte sich wie Balsam auf seine wunde S eele, gab es auch an Corneille einiges zu kritisieren. Daß der Dichter Horace ei n e Curiatierin zur Frau gab, um so das M o tiv der Kluft zwischen Bruder und Geliebten zu doppeln, fand er überflüssig, m ehr noch, es schwächte die dra m ati s che Zuspitzung ab. Seine C a m ille war ein m aliger. Ihren Verlust würden die Zuschauer stärker spüren, sollte sein Stück je zur Aufführung gelangen.
Nach der Vorstellung ließ er Talle m ant i m Parkett stehen und eilte hinauf in die Logen.
»Mada m e la Duchesse, ich bin überglücklich, Euch hier zu begegnen!«
Das entsprach der W ahrheit. Anf a ngs war er über die Bekanntschaft entsetzt gewesen, dann hat t e die Hoffnung eingesetzt, über sie den Kardinal als Gönner zu gewin n en, und m ittlerweile h i elt er si e für die lebendige Verkörperung d e r Prinzessin Isabelle aus Mademoiselle de Scuderys neuem Ro m an Ibrahim oder der durchlauchtigste Bassa, den er gerade m it Begeisterung gelesen hatte.
Er war noch nie einer D a m e begegnet, die ihn so für sich eingenom m en h a tte. Natürlich war es u n denkbar, daß sie ihn je erhören
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