Die Schatten von La Rochelle
würde, sollte er i h r sei n e Schwär me rei g estehen, aber das war ja gerade das Schöne daran. Er konnte sie aus der F erne anbeten, getreu den Gesetzen der rei n en Liebe, wie Astrée sie vorschrieb, ohne jedes niedere Eigeninteresse, ihr sei n e Gedichte wid m en und hin und wieder seine Seele durch eine Begegnung m it ihr in den Hi mm el heben lassen.
Was allerdings die Idylle seiner Träu m e störte, war der N a m e seines Bruders, der sich nur allzu häu f ig in die Konversation zu drängen schien, selbst wenn er nicht gen a n nt wurde. Dies m al zum Beispiel sagte sie kein W ort über Paul. Aber nachdem sie m it ihm ein wenig über das Stück debattiert und einig e n har m losen Klatsch aus den literarischen Zirkeln erzählt hatte, fragte er sie, ob sie auch den Sieur de Go m berville, den Autor von Polexa n dre, zu ihren Bekannten zähle.
»Nein. Und um ehrlich zu sein, ich b in e r leic h t er t. Er soll so weitschwei f ig s ein wie s e ine Ro m ane. Darin i m itie r t er Astrée, und Astrée war schon weitschweifig genug.«
Raoul war bestür z t. »E u ch ge f ällt A s trée n i ch t , Ma d a m e ? «
»Sagen wir so: Am bes t en gefiel m i r daran Hylas.«
Das waren schlechte Neuigkeiten. Nicht Celadon also, der treue Schäfer und Held des Ro m ans, sondern der unstete Hylas, der sich von keinem Gesetz b i n den ließ u n d kam und ging, wie er wollte.
Raoul zog unver m eidliche Parallel e n. Hatte s i e diese auch g ezoge n ? Nicht daß er Paul je m it einer a nderen Frau gesehen hatte, aber…
Seufzend entschloß er sich, es ei n er anderen Gestalt aus Astrée gleichzutun, der Hirtin Bellinde, die so opferbereit war, ihrer besten Freundin Am aranthe den Geliebten zu überlassen, und entledigte sich seines Auftrags.
»Mein Bruder bat m i ch, Mada m e, für den Fall, daß ich Euch begegne, solle ich Euch ausrichten, w enn Ihr die Einladung fürchtet, möchtet Ihr sie als nicht ausgesprochen betrachten.«
Er ahnte zwar nicht, was das b e deuten s o llte, aber d ie Herzogin von Aiguillon schien es sehr wohl zu wissen. Ihre Lippen preßten sich zusam m en, und Raoul verwün s chte seinen Bruder nicht zum ersten m al. Dann antwort e te s ie: » S agt Eurem Bruder, er habe das Privileg des Mutes genausowenig wie das der Überraschung. Aber es könnte sein, daß er selbst das der Vorsicht in Anspruch neh m en sollte.«
Als Raoul n i eder g eschlagen in seine Räu m e über Ragueneaus Garküche zurückkehrte, fand er Paul wartend vor. Z u m erstenmal ging er geradewegs an ihm vo r bei, und erst nachdem er sich des Mantels, Degens und Huts entledigt hatte, s a gte er zu seinem älteren Bruder:
»Du hattest recht, sie w ar dort. W a rum bist du nicht selbst geko mm en, wenn du sie sp r e c hen wollt e st?«
» W eil ich sie nicht spr e chen wollt e «, erwiderte Paul in seiner erzürnenden Art, unlogische Dinge auf logisch klingende W eise auszudrücken. » W as hat sie gesagt ? «
Raoul wiederholte die B otschaft d e r Herzogin und sackte noch etwas m ehr in sich zusa mm en, als Paul lachte.
» W as ist so ko m isch daran ? «
»Oh, nichts. Mada m e la Duchesse ist für eine Am ateurin hervorragend in diesem Spiel.«
»Sprich nicht so über sie!« brauste Raoul auf.
Pauls Heiterkeit verschwand. Er packte Raouls Arm und z og ihn näher. Dann ließ er ihn jäh wieder los und m einte: »Ich verstehe. Du solltest d ie s e Kälbe r lie b e rasch loswerden, kleiner Bruder.«
»Meine Verehrung für die Her z ogin von Aiguillon«, begann Raoul würdevoll, »ist so rein w i e…«
»Dein Gewissen, zweifellos. Raoul, es ist verständlich, daß du für sie schwärmst, du bist in dem Alter. Aber such dir ein anderes Objekt deiner Anbetung.«
Aha! Da m it war es erwiesen. Sieges si cher ent g e g nete Raoul: » W eil du sie selbst liebst, wie? Gib es nur zu. Du bist eifersüchtig! Obwohl ich nicht verstehe, warum, wo du m i ch doch selbst…«
»Ich liebe si e nicht.«
Diese ohne Hitze vorgetragene, kn a ppe Feststellung brachte Raoul kurz zum Schweigen. Dann sagte er wüten d : » W as will s t du dann von ihr? W as sollen all diese Andeutungen und Botschaften ? «
»Du bist noch ein Kind, Raoul. Es i s t ein Spi e l f ür Erwachs e ne, das Mada m e la Duchesse und ich spielen. Leider kann nur einer gewinnen, und wenn ich m it ihr fertig bin, wird nichts m ehr von ihr übrig sein, was man noch verehren kann. Erspare dir also die W u nden und befreie dich von diesem Gefühl, bevor es zu
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