Die Schatten von La Rochelle
heranreichte. An dem Tag, der a ll e s entsc h eiden sollte, hatte e s zunächst so ausgesehen, als würde es sich nur um einen der üblichen Wutausbrüche der Florentinerin handeln.
»Mada m e de Co m balet! Madame de Combalet! Es wundert m i ch, daß Ihr es wagt, noch hier zu ers c heinen. Habe ich Euch nicht deutlich ge m acht, daß m ich Eure bloße Gegenwart verärgert? Ü berhaupt habt Ihr kein Recht, hier zu sein. E uer Onkel h at Euch h i er als S p ionin eingeschleust, Euer Onkel, d i ese Kreatur, die es w agt, m i r Ratschläge und E m pfehlungen zu erteilen, m i r, seiner W o hltäterin! W i ßt Ihr, was Euer Onkel ohne m i ch wäre, Mada m e? Ein Nichts, ein Nie m and, der von Glück sagen kann, daß er nicht schon längst aus dem Klerus gestoßen ist für seine elende An m aßung…«
Und so war es weitergegangen, in ermüdender Eintönigkeit, bis bei Marie der dünn gewordene Faden ihrer Geduld und Zurückhaltung riß und sie vielleicht ein wenig zu bestim m t erklärte: »Euer Majestät wissen, daß Ihr keinen treueren Untertanen als Monseigneur, m einen Onkel, besitzt.«
Das war der verhängsni s volle Fehler gewesen.
»Ich weiß! Es ist nicht an Euch, m i r zu sagen, was ich weiß, Mada m e! Bei Gott, ich werde dafür s o rgen, daß I h r l e rnt, wo E uer Pl a tz ist! Aber i c h weiß, was Euch so hoch m ütig ge m acht hat. Glaubt nicht, daß ich es nicht nur allzugut wüßte! Ihr glaubt Euch sogar über die Gesetze von Gott und den Mensc h en erhaben, Mada m e, Ihr lebt in sündiger G e m einschaft m it Eurem Onkel, gebt es zu, so ist es doch!«
Dafür wird sie bezahlen, hatte Mar i e gedacht, während der gesa m te Hofstaat zusah und ihre Inti m fe i ndinnen, die Fürstinnen von Geblüt Conti und E lbeuf, sich offen daran weideten, daß sie gezwungen war, sich diesen Unflat auf den Knien vor einer Frau, die sie im Grunde verachtete, anzuhören.
Etwas, das s eit der Nac h t, in d e r Antoine du Roure gestorben war, geschlafen hatte, war aufgewacht. Irgendwie, irgendwann wird sie dafür bezahlen m üssen. Und dann, der eisige Sc h r ecken…
»Ah, Ihr seid endlich hier, m ein Sohn. Sehr gut. Ich habe genug von dieser Nichtswürdigen und i h rem undankbaren Onkel erdulden müssen! Ich verlange, daß Ihr Euch endlich…«
Der König war m it seiner Mutter in ein Kabinett verschwunden, das laut und deutlich hinter ihnen verschlossen wurde. Mit unu m stößlicher Sicherheit hatte Marie ge w ußt, daß sich jetzt und hier das Schicks a l ihres Onkels e ntschied. Wenn m an der Königin m utter gestattete, in dieser Stimmung m it d e m König längere Z e it allein zu sein…
Sie war gerannt, wie sie noch nie zuvor gerannt war, m it gerafften Röcken, alle Gedanken an W ürde und Selbstdis z iplin hi n t er sich la s send, bis sie zu dem Teil des Schlosses ka m , in dem ihr Onk e l, wenn er die Königin m utter länger besuc h te, seine A r beit s räu m e hatte. Sie sprach nicht, es brach aus ihr heraus, und er glaubte ihr.
»Es gibt einen gehei m e n Gang in dieses Kabinett«, sagte er. »Ich glaube nicht, daß sie daran gedacht hat, auch ihn abzuschließen. Aber falls doch, oder falls es m i r nicht gelingt…«
»Ich la s se E ure Kutsche bereitstelle n .«
Er war tatsächlich durch den Gang in das Kabinett gelangt. W as sich dort a u ch im m er abspielte, b lieb ein Gehei m nis. Als die Königin m utter mit erhobenem Haupt hin a ussegelte, war der Hof sicher, daß die Tage Richelieus gezählt waren. Ihr Onkel hatte nichts gesagt, aber sie an g ewiesen, für alle Fälle p acken zu la s sen.
An diesem Tag hatte sich jeder einzelne seiner Feinde offenbart, was später zu den bittersten Ver w ünschungen führte, denn es war die Königin m utter, die ins E xil ging,
»Ihr habt mir vielleicht das Leben gerettet, ma nièce«, h atte i h r Onkel sehr ernst zu ihr gesagt. »Was auch immer Ihr Euch dafür wünscht…«
»Ich m öchte diese Frau vor m i r auf den Knien sehen!«
Ein m al ausgesprochen, klang es zu heftig, zu kleinlich, zu rachsüchtig zu sehr nach d er Fa m ilie n krankheit. D och das war es, was sie e m pfand; es ließ sich nicht m ehr zurückneh m en.
Jet z t war ihr W unsch erfüllt. Sie bli e b vor der Statue ein e r Ny m phe stehen und lehnte sich gegen den reinen, weißen Mar m or.
»Ich habe ihren Brief bereits beantwortet. Monseigneur, ich hätte großzügig sein sollen, aber es wäre unehrlich gewesen. Ich schrieb, daß es nicht m ein e m Rang entsprich t , daß es m
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