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Die Schatten von La Rochelle

Die Schatten von La Rochelle

Titel: Die Schatten von La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Entdeckung ge m a cht hatte, daß eine Aura von Furcht zu verbreiten für solche Zwecke sehr nützlich sein konnte. Es w ar nicht sehr schwer. Nach dem Vorfall an der Schleuse übertrug m an ihm die Aufgab e , als Kundschafter regelmäßig die Stellungen der königlichen A r m ee auszuspionieren, und er gewöhnte sich m ehr und m ehr daran, die Wachtposten, die er einzeln vorf a nd, genau wie die Soldaten jener Nacht u m zubringen, n u r um m it ihrem Proviant und ihrer Muniti o n in die Stadt zurückkehren zu können. Die übrigen Mitglieder der Stadtwehr erkannten bald, was er tat; sie waren ihm dankbar, aber sie wichen ihm m ehr und mehr aus.
    Inzwischen hatten die Wahlen d es Stadtrats und des Bürger m eisters dafür gesorgt, daß Godefroy sein A m t los war. Guiton war es, der den einzigen englischen Kapitän e m pfing, dem es gelungen war, bei Flut Damm und Blockade zu durchbrechen. »Wann wird die englische Flotte kom m en ? «
    »Mylord of Buckingham tut, was er kann. Aber das Parla m e nt weigert sich n o ch immer, ihm ö ff entli c he Gelder f ür eine zweite Flotte zur Verfügung zu stellen. Doch a u s seinen eigenen Mitteln und denen des Königs will er Euch seinen Schwager, Graf Denbigh, und sechzig Schiffe schicken, bis er selbst m it weiteren kom m e n kann. Haltet nur aus, Europa schaut auf Euch.«
    Jeder der zehn Pastoren, die im Stadtrat saßen, wiederholte diese Worte in seinen Predigten. Europa, dachte Paul, was nützt Europa uns, solange es uns nicht hilft?
    In den letzten Apriltagen endete seine Schweigsa m keit Jacqueline gegenüber in einem hef t igen Streit.
    » W arum h a st du m ich geheiratet ? « fragte sie bitter. »Du könntest genausogut bei deinem Vater im S üden sein, soviel, wie du m it m ir sprichst.«
    »Das ist nicht wahr.«
    »Nein? Es m ag sein, daß dergleich e n in adligen Ehen üblich ist, da kenne ich m ich nicht aus. Aber bei uns verhält m an sich nicht so. Meine Eltern haben es m i r ja p r op h ezeit, daß es so kom m en würde. Du hast m i ch satt. Du wünschst d i r, wir hätten nie geheiratet, gib es doch zu!«
    »Ich wünschte nur«, sagte Paul und sprach zum ersten m al in seinem Leben kalt m it ihr, »du würdest endlich den Mund halten.«
    Sie stürzte sich auf ihn und hämm e rte m it ihren kleinen, zu sehr abge m agerten Händen auf ihn ein. Er konnte sie leicht abwehren, doch m itten in d er Bewegung hielt sie plötzlich inne und krüm m t e sich.
    » W as hast du ? «
    »Die W ehen«, stöhnte sie, »die W ehen haben eingesetzt.«
    »Aber es ist doch noch viel zu früh!«
    »Sag das dem Kind…«
    Si m on gab seine Zurückhaltung i h m gegenüber auf und versuchte, ihn aufzu m untern, während Paul v o r Jacquelines K a m m er auf und ab schritt. »Sieben m onatskinder überleben m anch m al«, sagte er tröstend. »Und Jacqueline kommt besti mm t auch durch, du wirst sehen!« Paul bot Gott einen letzten Handel a n: Buß f erti g keit, Reue, s ein eigenes Leben für Jacqueline und das Kind.
    Als die Hebamme endlich herausk a m und ihm s agte, er habe einen Sohn, einen lebenden Sohn, und auch der Mutter gehe es gut, war das für ihn die Antwort, um die er gebetet hatte. E s war ein Wunder, dieses kleine, winzige Bündel, auf d a s Jacqueline, die selbst nur noch ein Kind zu sein schien, herablächelte.
    Am nächsten Tag überwand er seinen Stolz und ging zum Hôtel Rohan, um seine Großtante Catherine um ihre Hilfe zu bitten. Sie hörte ihn ruhig an.
    »Ich würde Euch gerne helfen, Neffe«, sagte sie, als er geendet hatte, »wiewohl ich Euch früher wohl nicht m ehr e m pfangen hätte.
    Doch inzwischen ist vi eles nic h t m ehr so wichtig. Mein Arzt steht Euch zur V erfügung, und wenn Ihr wollt, d ann brin g t das Mädchen und Euren S ohn her, sobald es ihn e n gut genug geht. Ich m uß Euch all e rdings d arauf auf m erksam m achen, daß wir m ittlerweile auf die Vorräte der Stadt ange w i esen sind. Meine Kutschpferde sind schon verzehrt.«
    Jacqueline weigerte sich, in d a s Hôtel Rohan u m zuziehen, obwohl sie dankbar für den Arzt war. »Was m acht das für einen Unterschied? Und wenn es zum Schlimm s ten kom m t, möchte ich ohnehin lieber bei m einen Eltern sein.«
    Sie sagte nicht: Und bei dir.
     
    Am elften Mai erwac h ten in La Rochelle noch ein m al die stür m ische Begeisterung und die Hoffnung, m it denen die Belagerung begonnen hatte, denn die Engländer wurden gesichtet. S i e w urden vom D a mm aus m it Geschützfeuer e m pfangen und

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