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Die Schatten von La Rochelle

Die Schatten von La Rochelle

Titel: Die Schatten von La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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m it Sicher h eit d i e r i chtige Stelle w e isen.
    Es blieb nicht viel Zeit, um e i ne Entscheidung zu treffen. Die Soldaten waren nur zu zweit, und die Idee, die er jetzt hatte, bedingte, daß er seine gesa m te Erziehung, all e s was er über Ehre und Kriegsführung als Edel m ann gelernt hatte, verraten m u ßte.
    Ehre würde La Rochelle, würde Jac q ueline we ni g helfen.
    Paul nahm die Hand von der Pistole, zu d er er instin k tiv g e gri ff en hatte, und zog statt dessen sein Mes s er. Es war nicht weiter schwer, die bei d en Soldaten v o neinander zu trenne n ; d ie näc h tlic h en Geräusche des Sump f es, ihm m ittlerweile bestens ve r tra u t, hatten sie nervös genug ge m acht, und als er auf die uralte List zurückgriff und einen Stein in die gegenüberliegen d e Richtung warf, zog einer von ihnen erwartungsge m äß los, um nach der Ursache dieses neuen Geräusches zu suchen.
    Der andere wartete, rieb sich in der Kälte die Hände und pfiff ein, zwei Takte, ehe er sich darauf besann, was sich in seiner Lage schic k te, und schwieg. Paul schloß kurz die Augen; dann glitt er a u s seinem Ver s teck, riß den Mann nach hinten, preßte ihm die Hand auf den Mund und stieß m it seinem Messer nach der Kehle.
    Er brauchte lange, endlos lange, so schien es ihm. Da er noch nie je m anden auf diese W e ise getötet hatte um d i e W ahrheit zu sagen, hatte er überhaupt noch nie m anden von Angesicht zu Angesicht getötet, alles, woran er gewöhnt war, waren ein p a ar abgefeuerte Schüsse und nahezu unbl u tig ausge g angene Duelle -, kam er sich wie ein Schlächter vor, und ein ungesch i ckter noch dazu. Stich, Schnitt, Stich nach Stich, und immer noch war der Mann nicht tot. Es war ihm irgendwie gelungen, sich auch noch zu erbrechen, und das Erbrochene klebte an Paul zusam m en m it d e m Blut, das ihn über und über bedeckte, während er auf d e n zweiten Sol d aten wartete.
    Er hatte gehofft, der zweite Mord würde ein f acher sein, doch es war das gleiche, lange und wider l iche Schlachten, schwerer und gefährlicher dies m al noch, weil der Mann ihn be m erkte und kä m p fte. Aber schlie ß lich erreichte er auch d i es m al sein Ziel.
    Als er hi n t er die M auern zurückkehrte, entdeckte er, daß nur noch
    Si m on auf ihn wartete. »Die and e ren sind schon gegangen«, sagte er.
    »Um H i mmels willen, P aul, was ist das für ei n …«
    Dann erkannte er den Geruch.
    » W as hast du getan ? «
    Seltsa m , dachte Paul später, seltsam, daß S i m on es so fo r m ulieren sollte, denn es hätte ja auch so sein können, daß ihn die Patrouille entdec k t u n d er sich in Notwehr vertei d igt hatte.
    »Es ist soweit«, sagte er. »Sie haben die Schwachstelle m it der Schleuse herausgefunden. Heute n a cht werden sie vielleicht noch u m sonst auf ihre Leute warten und nicht kommen, aber m orgen sollten wir Vorkehrungen treffen, d a m it es sich nicht wiederholt.«
    Si m on ging nicht neben ih m , sond e rn folgte ihm in einigem Abstand, als er zu den Quartieren der W achen ging, um Meldung zu m achen und sich zu wa s chen, ehe er in das Haus der Feniers zurückkehrte.
    Es war, als habe sich eine seltsa m e Taubheit über ihn gelegt; er wollte n u r n och schla f e n . Die gleic h e Müdigk e it begleit e te ihn auch den gesa m t en nächsten Tag. Als die Stadtwache beim B a uen ihrer eilig i m provisierten Mauer die L ei c hen fand, m erkte er, wie sich das Verhalten der Männer ihm gegenüber veränderte. Am Abend stellte ihm Jacqueline die gleiche Frage wie Si m on.
    » W as hast du getan, Paul ? «
    Auch ihr konnte er keine Antwort darauf geben. Er b e m erkte ohnehin, daß er weniger und weniger m it Jacqueline sprach, je schlim m er die Lage von La Rochelle wurde. Er wollte nicht, daß sie von den Schrecken b erührt wur d e, die ihm bald überall begegneten, doch irgendwann gab es kaum etwas anderes, über das m an reden konnte. Also schwieg er.
    Er verschwieg ihr, daß er sah, w i e sich Frauen den reic h eren Bürgern für eine Mahlzeit hingaben; wie Kinder die wenigen Haustiere, die es noch gab, jagten, nicht um s i e sich anzueignen, sondern um sie als Nahrung m it nach Hause zu b r ingen; wie die Männer, die sich sonst höflich im Vorbeigehen auf der Straße grüßten, bei dem K a mpf um die täglichen Rationen jede W ü rde verloren. W i e er selbst auf nichts und nie m anden mehr Rücks i cht nah m , um ihr etwas m ehr als nur die übliche Zuteilung bringen zu können. Und wie er die

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