Die Schatten von La Rochelle
erschienen und waren an Ort und Stelle versenkt worden. Dann hatten andere, neuere Schiffe begonnen, Gesteinsbrocken an diesen S t ellen zu entladen.
»Er will ei n en Damm vor unseren Ha f en bauen«, sagte Guiton verächtlich. » D as zeigt, wieviel so ein P f affe von der See versteht, nä m lich gar nichts. Die W i nterstür m e werden seinen D a mm hinwegfegen, als sei er nie dagewesen.«
Zunächst schien es, als würde er recht behalten. Zur Jahreswende, die erfahrungsge m äß d i e schlim m sten W i nde und Strö m ungen m it sich brachte, brach auch Richelieus D a m m . Ab e r vor den ungläubigen Augen der Bürger von La Rochelle fing der Dammb a u noch ein m al von vorne an, geduldig, Stück für Stück. Paul b e m erkte, daß Guiton bei seinen allmorgendlich e n Ansprachen all m ählich besorgt wirkte.
»Ihr Engländer kennt euch doch a n geblich am besten m it der See aus«, sagte er zu Si m on. »Besteht die Möglichkeit, daß der D a mm hält ? «
Si m on knetete seine Unterlippe. »Wenn er Glück m it dem W etter hat.«
Das W etter blieb weit e rhin wech se lha f t, doch der Damm wuchs und wuchs. Man konnte erkennen, daß Boote an der dem offenen Meer zugewandten Seite vertäut wurden. Paul wurde an eine schwim m ende Mauer erinnert, wenn er jeden Morgen m it Guiton und einigen anderen Mit g liedern der Stadtwehr auf den T urm d e r Bartholo m äuskirche stieg, um nach der versprochenen Rückkehr der englischen Flotte Ausschau zu h a lten. W enn der Damm nicht bricht, dachte er, dann ist es dem Kardinal gelungen, La Rochelle von seiner Lebensader abzuschneiden.
Er hatte in d er l e tzten Z e it nic h t m ehr o f t gebet e t, aber das ä nderte sich m it der Befestigung des D a m m es und d e m Fortschreiten von Jacquelines Schwangerschaft. Er betete bald jeden Morgen und jeden Abend auf den Knien um Jacquelines Sicherheit, um die Zerstörung des Damm e s und die Rückkehr der Engländer.
Inzwischen blieb er nicht untät i g. Er war überzeugt davon, daß die Königlichen sich nicht m it ihrem Damm zufrieden g eben würden. Bestim m t würden sie versuchen, in die Stadt einzudringen. Paul bat also den Haupt m ann der Stadtwehr um ein paar Leute und die E r laubnis, die Befestigungen auf schwache Stellen hin zu untersuchen. Sie wurde ihm gewährt, wenn auch auf etwas gönnerhafte W e ise.
»Ihr habt zu viele Ro m a ne gelesen, junger Mann. Unsere B efestigungen sind unbezwingbar.«
Soweit es die Mauern anging, stimmte das, doch Paul entdeckte schließlich m it einer Mischung aus Befriedigung und Unruhe die Schwachstelle, die er ge s ucht hatte: Auf der Ostseite der Stadt gab es einen nur m it einem S c hleusengitter abgesperrten Kanal, durch das die Boote zur Gewinnung von Salz in die Salzsü m p fe fuhren. Der Kanal war n i cht tie f er al s einen M e t e r.
Paul ließ sich von seinen W achtpflichten entbinden und legte sich vor dieser S chleuse auf die Lauer. E r erzählte nur Si m on und einigen wenigen Leuten, auf deren Verschwiegenheit er sich verlassen konnte, von seinem Verdacht. Ein m al hatte er sich m it seinen Ideen lächerlich ge m acht; es sollte kein zweites Mal geschehen. In dieser Zeit lernte er zu warten, er ler n te G eduld, und er lernte Verschwiegenheit und Zurückhaltung angesichts des off e nen Spottes einiger Mitglieder der Stadtwehr in bezug auf das Dur c hhaltever m ögen junger Adlig e r.
Endlich, im März, wur d e seine Au s dauer b elo h nt. I n zwisc h en war er dazu übergegangen, seine Begleiter zwar hinter der Schleuse, sich selbst jedoch außerhalb der Stadt m a uern in dem Su m pfgebiet zu postieren. Die Tur m glocken hatten ger a de zehn geschlagen, und der abneh m ende Mond spendete wenig L i cht, doch P aul hatte sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt. Er nahm schattenhafte Bewegungen wahr, pirschte sich geräuschlos heran und stellte fest, daß es sich um zwei Soldaten han d elte, d ie et w as schlep p ten, das sehr nach einem Pulverfäßchen aussah.
Paul dachte nach. Er konnte auf d e r Stelle in di e Sta d t z u r ü ckkehren und Alarm schlagen, aber sel b st wenn die gesa m t e Stadtwehr und die zurückgebliebenen Engländer sich hinter der Schleuse einfanden, würde es das Problem m it d e m Pulver nicht lösen. W enn es erst ein m al direkt vor der Schleuse angebracht war… A ber dazu m ußten sie den W eg durch den Sumpf erst find e n. Auch das sprach gegen eine Verstärkung aus La Rochelle d e r unver m eidliche Lärm würde den Königlichen
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