Die Schattenfrau
hatte lange gedauert, bis es gelungen war, sie als Helene Dellmar zu identifizieren. Ihre Mutter hieß Brigitta Dellmar.
Brigitta Dellmar war damals seit drei Wochen aus ihrem Haus verschwunden gewesen. Sie hatte mit der Tochter Helene allein gelebt, in einer Wohnung am Frölunda Torg, die seitdem dreizehn verschiedene Mieter gehabt hatte.
Aber die Polizei kannte Brigitta Dellmar. Sie hatten ihren Namen im zentralen Fahndungsregister gefunden. Brigitta Dellmar war 1968 in Zusammenhang mit einer Betrugsangelegenheit festgenommen, aber mangels Beweisen wieder freigelassen worden. Zu diesem Zeitpunkt war sie schwanger gewesen. Ihr Name tauchte im Zusammenhang mit einem Raubüberfall auf die Handelsbank in Jönköping 1971 erneut auf, aber da war sie nur nach ihrem Verhältnis zu einem Verdächtigen befragt worden. Er hatte bereits vier Jahre wegen eines anderen Raubüberfalls verbüßt, konnte aber nicht mit dem auf die Handelsbank in Verbindung gebracht werden.
Der Mann hieß Sven Johansson. Das ist John Smith auf Schwedisch, dachte Winter und stöberte weiter in dem Stapel Dokumente, die Möllerström ihm gerade gebracht hatte.
Sven Johansson. Er war vor sieben Jahren an Lungenkrebs gestorben. War er Helenes Vater? Warum hieß sie Andersen? Es gab keinen Andersen in den Papieren, allerdings fehlte Winter noch der Name einer der Pflegefamilien.
Helenes Mutter war verschwunden und nie mehr aufgetaucht. Brigitta Dellmar. So war es. Die Geschichte wiederholte sich. Das war merkwürdig, aber nicht ungewöhnlich. Töchter allein stehender Mütter bekamen Kinder mit Männern, die verschwanden. Verschwinden, überlegte Winter. Es geht doch nicht, einfach so zu verschwinden. Wir finden schon noch alle, nach denen wir suchen. Wir haben Helene gefunden, und auch ihre Mutter. Wir werden auch ihren Vater finden. Und ihren Mann. Jennies Vater.
Und wir werden Jennie finden.
Was war mit Brigitta Dellmar passiert? Wie war sie verschwunden? Winter glaubte, dass er es bald erfahren würde. Das war schließlich Polizeiarbeit. Seine Arbeit. Das Aufspüren. Oder die Jagd. Auch auf flüchtiges Wild. Und dieses Wild hier, scheint sehr weit geflüchtet zu sein. Der Gedanke ließ sich nicht so leicht beiseite schieben.
»Das ist ganz schön hoch hier«, sagte Halders, der aus dem Fenster im Wohnzimmer spähte. »Ich kann bis zum Exercishuset sehen.«
»Ist dir schwindelig?«, fragte Aneta.
»Ja. Mir wird immer schwindelig, wenn ich Heden sehe.«
»Schlechte Erinnerungen?«
»Schlechtes Ballgefühl«, sagte Halders und drehte sich um. Aneta Djanali hockte vor dem CD-Player. »Das ist wirklich eine Überraschung«, freute sie sich. »Du bist ja umgezogen.«
»Na und?«
»Wenn du Hilfe gebraucht hättest beim Tragen. Jetzt nach... der Verletzung... «
»Ich trage nicht mit dem Kiefer, Fredrik.«
»Nee.«
»Was hörst du für Musik, wenn du zu Hause sitzt und abschaltest?«
»Ich schalte nie ab.«
»Und was hörst du, während du nicht abschaltest?« »Ich habe mir ein paar Jazzscheiben von Winter geliehen, aber ich bin sie leid. Er wird scheint's nie müde, sie zu hören.« »Nein.«
»Obwohl er zur Zeit müde aussieht.« »Hast du dich selbst mal im Spiegel gesehen?« »Ich habe ihn diese Woche mit Bülow in der Kneipe gesehen. Verdächtig.« »Bülow?«
»Der Journalist. Beim GT. Rennt im Polizeigebäude rum und sieht wichtig aus.« »Wie du.« »Genau. Genau so.«
»Was hast du denn in der Kneipe gemacht?« »Abgeschaltet«, sagte Halders. »Ich schalte nicht zu Hause ab. Ich schalte in der Kneipe ab.« »Das ist teuer.«
»Winter hat nicht danach ausgesehen, als würde er abschalten.
«
»Du sprichst viel von Erik.« »Hast du seine Haare gesehen?« »Nun lass mal gut sein, Fredrik.«
»Wie ein wüster Hardrocker.« »Du bist bloß neidisch.« »Neidisch?«
»Auf die Haare, meine ich.«
»Ich? Ich könnte Pudellocken haben, wenn ich wollte.«
Aneta Djanali warf einen Blick auf Halders' Stoppeln und auf die Glatze, die wie ein heller Sonnenfleck unter der Deckenlampe glänzte. »Klar doch«, sagte sie. »Ist das deine Musik? Hardrock? Am ehesten kann ich da wohl mit den Rolling Stones dienen.«
»Hast du keinen Jazz?«
»Nein.«
»Schön.«
»Sag doch, was dir gefällt, Fredrik.« »Ist das so wichtig?« »Ich bin neugierig.«
»Du glaubst bestimmt, dass es weiße Musik ist, oder?« »Ja.«
»Volksmusik, was?«
»Nur wenn du abschaltest.«
»Du bist wirklich neugierig, stelle ich fest.«
»Ich interessiere
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