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Die Schattenhand

Die Schattenhand

Titel: Die Schattenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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bei allem mustergültigen Respekt ein unmissverständliches: «Was ist denn jetzt schon wieder?»
    «Ja, Sir?»
    «Minnie-Maus ist für Sie am Telefon.»
    «Wie bitte, Sir?»
    Ich erhob die Stimme. «Minnie-Maus.»
    Ich habe den Namen so buchstabiert, wie ich ihn am Telefon verstanden hatte. Aber nun will ich ihn so schreiben, wie er sich tatsächlich schrieb.
    «Minnie Morse – was will die denn?»
    Einigermaßen aus der Fassung gebracht, ließ Partridge ihren Mopp fahren und rauschte die Treppe herunter. Ihr Kattunkleid knisterte vor Empörung.
    Ich zog mich unauffällig ins Esszimmer zurück, wo Megan Nierchen mit Speck in sich hineinschlang. Für Megan hatte, anders als für Aimée Griffith, Morgenstund keineswegs Gold im Mund. Im Gegenteil, sie erwiderte meinen Gruß äußerst mürrisch und aß schweigend weiter.
    Ich schlug die Morgenzeitung auf, und wenige Minuten später kam die völlig erschöpfte Joanna herein.
    «Mannomann!», sagte sie. «Bin ich müde. Ich glaube, ich habe mich gerade bis auf die Knochen blamiert. Gibt es um diese Jahreszeit denn keine Bohnen?»
    «August», sagte Megan.
    «In London kriegt man immer welche», verteidigte sich Joanna.
    «Dosen, mein holdes Närrchen», sagte ich. «Und Kaltlagerung auf Schiffen von den fernen Enden des Weltreichs.»
    «So wie Elfenbein, Affen und Pfauen?», fragte Joanna.
    «Genau so.»
    «Da wären mir Pfauen lieber», sagte Joanna gedankenvoll.
    «Ich hätte gern ein Äffchen als Haustier», bemerkte Megan.
    Joanna schälte versonnen eine Orange.
    «Wie es wohl wäre, Aimée Griffith zu sein», sagte sie, «berstend vor Gesundheit und Kraft und Lebensfreude? Glaubt ihr, sie ist je müde oder traurig oder – oder wehmütig?»
    Ich sagte, dass Aimée Griffith mit Sicherheit keine Wehmut kannte, und folgte Megan durch die geöffnete Verandatür ins Freie.
    Während ich dort stand und meine Pfeife stopfte, hörte ich Partridge aus der Diele ins Wohnzimmer kommen und mit düsterer Stimme sagen:
    «Kann ich Sie einen Moment sprechen, Miss?»
    Du liebe Güte, dachte ich, wenn Partridge jetzt bloß nicht kündigt. Das hätte uns Emily Barton nie verziehen.
    «Ich muss Sie um Entschuldigung bitten, Miss», fuhr Partridge fort, «wegen dem Anruf. Das junge Mädchen, das angerufen hat, hätte es eigentlich besser wissen müssen. Es war nie meine Art, das Telefon zu benutzen oder Freunden zu erlauben, mich hier anzurufen, und es ist mir sehr peinlich, dass das passiert ist, wo auch noch der gnädige Herr selber am Apparat war.»
    «Das macht doch überhaupt nichts», sagte Joanna begütigend, «warum sollen Ihre Freunde denn nicht hier anrufen, wenn sie Sie sprechen möchten?»
    Partridges Gesichtsausdruck, das spürte ich, ohne es zu sehen, war noch verschnupfter als sonst, als sie kalt entgegnete:
    «Solche Sitten wurden in diesem Haus nie geduldet. Miss Emily hätte es niemals erlaubt. Wie gesagt, es tut mir Leid, dass es passiert ist, aber Minnie Morse, das Mädchen, das angerufen hat, war durcheinander, und sie ist noch jung, sie weiß nicht, was sich im Haus eines Gentlemans schickt.»
    Da hörst du’s, Joanna, dachte ich hämisch.
    «Diese Minnie, die am Telefon war, Miss», fuhr Partridge fort, «hat hier gelernt, bei mir. Sechzehn war sie damals und kam direkt aus dem Waisenhaus. Und weil sie kein Elternhaus hat und keine Mutter oder irgendwelche Verwandten, die ihr einen Rat geben könnten, hat sie sich dran gewöhnt, zu mir zu kommen, verstehen Sie. Ich kann ihr sagen, wo’s langgeht.»
    «Ja?», sagte Joanna und wartete. Ganz offensichtlich war Partridge noch nicht am Ende.
    «Und deshalb wollte ich so frei sein und Sie bitten, Miss, dass Minnie heute Nachmittag auf eine Tasse Tee zu mir in die Küche kommen darf. Es ist nämlich ihr freier Tag, und sie hat was auf dem Herzen, wo sie meinen Rat will. Unter normalen Umständen würde ich mir so was natürlich nie herausnehmen.»
    Joanna fragte verwirrt: «Aber warum sollen Sie sich denn nicht jemanden zum Tee einladen?»
    Darauf, so berichtete Joanna hinterher, richtete Partridge sich hoch auf und erwiderte mit ganz und gar Furcht erregender Miene:
    «Das war nie Brauch in diesem Hause, Miss. Die alte Mrs Barton hat keinerlei Besucher in der Küche geduldet, außer wenn wir unseren freien Tag hatten, da war es erlaubt, dass wir hier Freunde empfangen statt auszugehen, aber sonst, an gewöhnlichen Tagen, nein. Und Miss Emily ehrt die alten Bräuche.»
    Joanna ist sehr nett zu Dienstboten, und die

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