Die Schattenhand
meisten mögen sie, aber bei Partridge biss sie auf Granit.
«Es hat keinen Zweck, mein Mädchen», sagte ich, als Partridge sich hinweggehoben hatte und Joanna zu mir herauskam. «Dein Verständnis und deine Milde werden dir nicht gedankt. Partridge will das alte eiserne Regime, wo alles so gehandhabt wird, wie sich das im Haus eines Gentlemans ziemt.»
«Nicht mal Besuch durften sie kriegen», sagte Joanna. «So was Tyrannisches habe ich wirklich noch nie gehört. Das ist ja alles schön und gut, Jerry, aber sie können doch nicht wollen, dass man sie wie Galeerensklaven behandelt.»
«Offenbar schon», sagte ich. «Zumindest die Partridges dieser Welt.»
«Warum mag sie mich bloß nicht? Fast alle Leute mögen mich.»
«Wahrscheinlich verachtet sie dich als unzulängliche Hausherrin. Du streichst nie über ein Regalbrett und überprüfst deinen Finger auf Staubspuren. Du schaust nicht unter die Fußmatten. Du fragst nicht, was aus dem restlichen Schokoladensouffle geworden ist, und du bestellst nie einen schönen saftigen Brotpudding.»
«Igitt!», sagte Joanna.
Und traurig fügte sie hinzu: «Ich versage auf der ganzen Linie. Aimée blickt auf mich herab, weil ich nichts von Gemüse verstehe. Partridge kanzelt mich ab, weil ich ein Herz habe. Ich sollte in den Garten gehen und Würmer essen.»
«Da ist dir Megan zuvorgekommen», sagte ich.
Denn Megan war ein paar Minuten vorher ein Stück weggeschlendert und stand nun unentschlossen auf dem Rasen. Sie sah aus wie ein gedankenschwerer Vogel, der darauf wartet, dass man ihn füttert.
Jetzt allerdings kam sie auf uns zu und sagte unvermittelt: «Heute muss ich wieder heim.»
«Was?» Ich traute meinen Ohren nicht.
Sie wurde rot, aber sie fuhr mit nervöser Entschiedenheit fort.
«Es war furchtbar nett von Ihnen, dass ich hier sein durfte, und wahrscheinlich war ich Ihnen eine schreckliche Last, aber ich fand’s herrlich, nur jetzt muss ich wieder zurück, ich meine, immerhin ist es ja mein Zuhause, und man kann nicht ewig anderswo bleiben, also gehe ich am besten gleich.»
Sowohl Joanna als auch ich versuchten sie von ihrem Entschluss abzubringen, aber sie ließ nicht mit sich reden, und so holte Joanna schließlich den Wagen, und Megan ging nach oben und kam nach einigen Minuten mit ihren Siebensachen zurück.
Zufrieden schien allein Partridge, auf deren grimmigem Gesicht sich die Andeutung eines Lächelns zeigte. Ihre Meinung von Megan war nie hoch gewesen.
Ich stand mitten auf dem Rasen, als Joanna zurückkehrte.
Sie wollte wissen, ob ich mich für eine Sonnenuhr hielt.
«Wieso?»
«Du stehst da wie eine Gartendekoration. Nur dass man von dir nicht behaupten kann, du würdest nur die heiteren Stunden zählen. Du schaust drein wie drei Tage Regenwetter!»
«Ich hab schlechte Laune. Erst Aimée Griffith – («Guter Gott», murmelte Joanna, «das Gemüse!») und jetzt schwirrt Megan plötzlich ab. Ich wollte sie nachher auf einen Spaziergang zum Aussichtsfelsen mitnehmen.»
«Mit Halsband und Leine, oder wie?», sagte Joanna.
«Was?»
Und während sie in Richtung Küchengarten verschwand, wiederholte sie laut und deutlich: ‹«Mit Halsband und Leine, oder wie?›, hab ich gesagt. Herrchen hat seinen Hund verloren, deshalb bist du so grantig!»
III
Ja, ich war verärgert über die Abruptheit, mit der Megan uns verlassen hatte. Vielleicht waren wir ihr einfach zu langweilig geworden.
Gut, unser Leben bot wenig Abwechslung für ein Mädchen. Zu Hause hatte sie die Jungen und Elsie Holland.
Ich hörte Joannas Schritte und verzog mich hastig, um mir nicht noch mehr herzlose Bemerkungen über Sonnenuhren einzuhandeln.
Kurz vor Mittag kam Owen Griffith mit dem Wagen vorbei. Der Gärtner wartete schon mit dem benötigten Grünzeug.
Während der alte Adams das Gemüse ins Auto lud, holte ich Owen auf einen Drink ins Haus. Zum Essen bleiben wollte er nicht.
Als ich mit dem Sherry ins Zimmer kam, war Joanna bereits eifrig am Werk.
Keine Spur mehr von Feindseligkeit. Sie kuschelte sich in die Sofaecke und schnurrte regelrecht, während sie Owen über seine Arbeit befragte. Ob er gern als praktischer Arzt tätig sei, ob er sich nicht lieber spezialisiert hätte? Für sie sei der Arztberuf ja einer der faszinierendsten auf der Welt.
Was immer man gegen Joanna sagen mag, sie ist eine wunderbare, eine begnadete Zuhörerin. Und nach all den Möchtegern-Genies, die ihr erzählt hatten, wie sehr man sie doch verkenne, war Owen Griffith eine
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