Die Schattenkämpfer 3 - Der Fluch der Assassinen
Dubhe, und Dubhe lässt sich nicht aufhalten, hatte er sich in jenen langen Tagen des Wartens immer wieder gesagt.
Tröpfchenweise waren die Nachrichten eingetroffen, was zusätzlich an seinen Nerven zehrte. Niemand wusste so genau, was vorgefallen war, und die vielen Unwägbarkeiten machten es nötig, den Aufbruch zu verschieben. Als Dubhe dann aber allein zurückgekehrt war, fand er seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt.
Ido hatte ihm in groben Zügen erzählt, was er über die Abenteuer der beiden jungen Frauen erfahren hatte.
»Warum ausgerechnet sie?«, hatte Lonerin verzweifelt gefragt, doch die Antwort wusste er selbst. Für die Gilde war Theana die Tochter des Ketzers. Sie teilte deren Glauben, aber in einer viel reineren, edleren Form, was für die Siegreichen eine unerträgliche Sünde war.
»Für die Sekte ist sie eine Verräterin, und auch Dohor wünscht sich eine exemplarische Bestrafung: Das ist sein Stil«, hatte Ido geantwortet. Wieder einmal versuchte die Gilde, ihm einen Menschen zu nehmen, den er liebte: zunächst seine Mutter, dann Dubhe und nun Theana.
Er bog um die Ecke und stand vor dem Zimmer, in dem die Schattenkämpferin lag. Im Geist sah er sie vor sich und dachte dabei an all das, was in den Unerforschten Landen geschehen war, wie sehr er sie begehrt und wie sehr er gelitten hatte, als sie ihn zurückwies. Nun hatten alle diese Gefühle keinen Platz mehr in ihm.
Er klopfte nicht an und trat kurzerhand ein. Dubhe saß am Fenster und blickte hinaus in den Sonnenuntergang, in dessen Licht der mächtige Wasserfall blutrot funkelte. Sie hatte sich nicht verändert, nur ihre Haut war blasser und ihr Haar länger. Erst als sie sich zu ihm umdrehte, bemerkte er einen besonderen Glanz in ihren Augen: Dies waren keine finsteren Schächte mehr, sondern Labyrinthe, die von einer Sehnsucht überquollen ähnlich jener, die er selbst empfand.
Beide fühlten sie sich unangenehm befangen. Die wenigen Monate, die sie sich nicht gesehen hatten, schienen all das ausgelöscht zu haben, was zwischen ihnen gewesen war, selbst jene Vertrautheit, die sie mit so viel Mühe aufgebaut hatten. Und Lonerin fragte sich verwundert und bestürzt, ob dies wirklich das Mädchen war, für das er sich bei ihrer gemeinsamen Reise immer wieder mit all seinen Kräften eingesetzt hatte.
»Ich habe gehört, dass du zurück bist«, murmelte er, weil ihm nichts Besseres einfiel.
»Richtig«, antwortete sie und berührte kurz ihre Haare. Es waren jetzt wieder ihre eigenen. Theanas Zauber wirkte nicht mehr.
Einige Augenblicke schauten sie sich nur an, und dabei fand er endlich die Antwort auf jene Frage, die ihn während des Wartens der vergangenen Tage verfolgt hatte: Ja, zwischen Dubhe und ihm war es schon seit Langem aus, vielleicht hatte sogar nie etwas richtig begonnen.
»Erzähl mir, was mit Theana passiert ist.«
Dubhe schien nicht überrascht von der Bitte. Sie blickte Lonerin verständnisvoll an. »Wir hatten schon fast die Grenze erreicht, als uns Forra und seine Leute überfielen, auf einem Drachen. Das Tier hat sie gepackt und uns entrissen.« Lonerin konnte ein Zittern seiner Hände nicht unterdrücken.
»Man hat sie gefesselt und fortgebracht, zusammen mit Learco.« Lonerin schaute zu Boden. Er fühlte sich schäbig. Warum interessierte es ihn nicht, was Dubhe durchmachte oder was sie in den zurückliegenden Monaten erlebt hatte? Er hatte sie doch geliebt, eine wunderbare Nacht mit ihr erlebt, und verspürte nun doch nur Wut auf sie, weil er davon ausgegangen war, sie würde schon dafür sorgen, dass Theana nichts zustieß.
»Du hättest sie beschützen müssen!« Er konnte den Vorwurf nicht unterdrücken. Dubhe zeigte sich nicht überrascht. »Als die Verschwörung aufgeflogen war, mussten wir Hals über Kopf fliehen. Da konnte ich nicht besser auf sie aufpassen.«
Lonerin nahm die Hände vor das Gesicht und ließ sich an der Tür hinuntergleiten, bis er am Boden saß. »Tut mir leid«, murmelte er, doch Dubhe schien ihn nicht zu hören.
»Sie war mir eine gute Gefährtin. Mehr als einmal hat sie mir das Leben gerettet und hat mich in den schwersten Situationen unterstützt. Es tut mir wirklich leid, Lonerin, ehrlich.«
So saß sie da und schaute ihn an.
Er hatte immer noch den Kopf zwischen den Händen. »Ich hätte sie niemals gehen lassen dürfen ...«, warf er sich mit leiser Stimme vor.
»Theana ist kein wehrloses Mädchen. Ihre Entscheidung, mich zu begleiten, war wohlüberlegt.«
Lonerin
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