Die Schattenkämpfer 3 - Der Fluch der Assassinen
mir sagen,
was ich hier tue? Warum meiner Seele gegen meinen Willen wieder die Last des Fleisches aufgebürdet werden soll?«
Lonerin musste alle seine Kräfte zusammennehmen, um nicht das Bewusstsein zu verlieren. Er fühlte sich einer Ohnmacht nahe, wie er sie noch nie erlebt hatte. Irgendwo vernahm er die Schläge seines Herzens, die immer langsamer wurden. »Ich bin nicht aus freien Stücken hier. An der Aufgetauchten Welt liegt mir nichts. Ich bin nicht mehr der Mann, der ich früher war. Weder Pläne noch Träume treiben mich an, weder edle noch bösartige Ziele. Das alles ist Sache der Lebenden, aber ich bin tot, ganz und gar, im Fleisch und im Geist. Ich will nur Frieden, meinen Frieden.«
»So ist das alles tatsächlich nicht dein Werk?«
Aster schaute ihm in die Augen. »Nein. Unter Schmerzen wurde ich aus meiner Ruhe gerissen, und mit Abscheu sah ich das Gesicht meines treuesten Dieners wieder. Seine Verehrung ist mir lästig, seine Gebete stören mich. Immer noch sucht er bei mir eine Bestätigung seines Glaubens, will mich missbrauchen für Ziele, die längst nur noch seine eigenen sind. Ich aber wünsche mir nur, von seiner Gegenwart befreit zu werden und ins Nichts zurückkehren zu können.« Es klang tatsächlich wie ein verzweifelter Hilferuf. Lonerin bemühte sich, bei klarem Verstand zu bleiben. Denn er begriff, was da vor sich ging: Er wurde immer müder, weil der Zauber ihm alle Kräfte nahm. Das hieß, er war dabei, zu sterben, und musste sich beeilen.
»Wenn du deinen Frieden willst, so füge dich mir«, sagte er.
»Das tue ich bereits.« Aster schwieg einige Augenblicke und antwortete dann auf die nicht ausgesprochene Frage, die zwischen ihnen stand. »Ich kann mich nicht allein befreien. Nur du kannst es. Noch nicht einmal helfen kann ich dir. In dieser Welt bin ich ein Nichts. Ohne Körper existiere ich hier gar nicht.«
Er breitete die Arme aus, und sein Lächeln wirkte kindlich
rein. »Tu es, Lonerin. So heißt du doch, nicht wahr? Dies war der Name, den deine Mutter im Sterben rief. Tu es, ich flehe dich an.«
Lonerin fühlte seine Sinne immer weiter schwinden, spürte aber auch gleichzeitig, dass er es mit letzter Willensstärke tatsächlich schaffen konnte. Er betrachtete diese flüchtige Gestalt vor sich und fragte sich noch einmal, ob sie wirklich die Wahrheit sprach. Aber vielleicht kam es darauf gar nicht an. Wichtig war jetzt nur, sich ganz genau an jeden Schritt des Zaubers zu erinnern und die notwendige Kraft dafür zu finden. So konzentrierte er sich ganz auf sich selbst, auf seinen sich in diesem Licht verlierenden Geist, und dabei überkam ihn eine seltsame Traurigkeit. Mitleid. Das Gefühl, das mehr als jedes andere sein Leben geprägt hatte, und vor allem jene lange Reise, die ihn hierher geführt hatte. Mitleid, Mitleid mit allen, selbst mit seinem Feind.
Schnell verscheuchte er jeden Gedanken und sammelte in sich alle Magie, die seinen Körper durchfloss, während sein Herzschlag immer schwächer wurde. Unterdessen bemühte sich Sennar verzweifelt, Yeshol festzuhalten. Er wusste, dass er gegen den Anführer der Gilde mit seinen magischen Kräften nichts ausrichten konnte. Die hatte er fast alle verbraucht, um Nihal wiedersehen zu können, und die wenigen verbliebenen reichten nicht aus, um einen Höchsten Wächter zu bezwingen. Aber das war nicht so wichtig. Er würde dennoch alles geben, denn dies war von Anfang an eine Reise ohne Wiederkehr gewesen. Und so spannte er nun alle Muskeln seiner knöchernen Hände an und suchte mit einer plötzlichen Bewegung den Hals seines Gegners. Doch der wich aus und machte sich von ihm los. Gerade noch sah er, wie Yeshol zu Lonerin hastete. Sennar schrie und streckte dabei beide Hände aus. Viele Jahre waren vergangen, seit er zum letzten Mal im Kampf einen Zauber gesprochen hatte. Damals waren seine Hände sehnig und stark gewesen, seine Arme voller Kraft. Jetzt lagen die Ärmel seines Gewandes auf einem Rechteck aus dünner Haut, die wie ein zu großer Handschuh die zitternden Muskeln seiner Arme umhüllte. Und doch gelang es. Im Nu baute sich eine silberne Barriere um Lonerins wehrlosen Körper herum auf. Sennar erinnerte sich an Aires, an seine Überfahrt zum Wasserkrater und wie er damals ein ganzes Schiff mit diesem Zauber beschützt hatte. Heute entzog ihm diese kleine Schutzwand schon fast alle Kraft.
Voller Wut riss und zerrte Yeshol an der Wand, bis sie plötzlich zu unzähligen Scherben zersplitterte. Der Höchste
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