Die Schattenleserin - Nachtschwarze Träume: Roman (German Edition)
so zuversichtlich, wie ich nur kann.
Vielleicht war das zu viel. Lena presst die Lippen zusammen. Sie rutscht nach vorn, und ich glaube schon, dass sie aufstehen will, aber dann sitzt sie erneut still. Nach einigen langen Sekunden, in denen ich schon überlege, ob ich auf die Knie fallen und sie um Hilfe anflehen soll, atmet sie aus. Sie macht keinen glücklichen Eindruck –, aber ein Teil ihrer Anspannung ist verflogen.
»Du musst mit Aren reden.«
»Worüber?« Das ist vermutlich eine dumme Frage, aber Lena war hier, als Aren im Prinzip gesagt hat, dass er Kyol lieber tot sehen würde als Teil der Rebellion.
»Du musst ihn davon überzeugen, Taltrayn zu retten.«
Möglicherweise hat sie was an den Ohren oder war während dieser Unterhaltung weggetreten. Ich schüttle den Kopf. »Aren hasst Kyol. Du musst jemand anders schicken. Mit dem Sidhe Tol ist es …«
»Es wird kein anderer gehen«, schneidet sie mir das Wort ab. »Nicht ohne Aren.«
»Ich habe es bereits versucht …«
»Du hast es nicht versucht«, fährt sie mich an. »Du hast nachgegeben. Du hast nachgegeben, weil du ihn nicht verletzen wolltest.«
Es ärgert mich wahnsinnig, dass sie mich so gut durchschaut. Da ich außerdem noch hundemüde bin, stehe ich kurz davor, etwas zu sagen, was ich später bereuen werde. Ich hole tief Luft, was mich auch nicht wirklich beruhigt, aber als ich ausatme, rufe ich mir ins Gedächtnis, dass ich es mir nicht erlauben kann, sie zu verärgern.
»Du hast seine Reaktion doch gesehen«, sage ich. »Er wird mir nicht zuhören.«
Sie verzieht die Lippen zu einem verbitterten Lächeln. »Aren hat dich mit einem Ankerstein zum Hof zurückgeschickt. In all den Jahren, die ich ihn kenne, hat er nie so etwas Unvorsichtiges und Törichtes getan. Er handelt instinktiv, aber sein Instinkt liegt nicht immer richtig, und im Moment ist er wütend und müde. Er kann nicht klar denken, aber wenn du mit ihm redest – wenn du versuchst, ihn zur Vernunft zu bringen –, dann wird er auf dich hören.«
Ich drücke meine Nasenwurzel zusammen. Mein Kopf fühlt sich an, als würde jemand mit dem Hammer von innen gegen meine Augenlider schlagen. »Ich brauche Zeit zum Nachdenken.«
»Du hast keine Zeit«, erwidert Lena. »Wenn sie dir beide am Herzen liegen, dann bringst du Aren dazu, das zu tun. Er wird diese Rebellion erst aufgeben, wenn er tot ist oder wir gewonnen haben. Und gewinnen können wir nur noch mit Taltrayns Hilfe.«
Die Dusche wird ausgestellt, und mein Magen zieht sich zusammen. Lena kennt Aren besser als ich. Vielleicht wird er mir zuhören.
»Kann Aren das schaffen?«, will ich wissen.
»Wenn er Taltrayn ein Schwert in die Hand geben kann, dann ja.«
Aren und Kyol, die Seite an Seite kämpfen? Das könnte funktionieren. Wenn sie sich nicht vorher umbringen.
»Okay«, sage ich. »Ich rede mit ihm.«
Aren ist allein im Arbeitszimmer, er sitzt mit dem Rücken zur Tür auf einem schwarzen Drehstuhl. Er starrt auf einen Schreibtisch aus Redwoodholz und dreht sich nicht um, als ich hereinkomme. Da ich nicht gerade leise bin, muss er mich gehört haben.
Das fängt ja gut an.
Durch die offenen Jalousien dringt Licht herein. An der Wand auf der linken Seite stehen zwei Bücherregale voller Atlanten, Karten und Skizzenbücher. Bei mir zu Hause sieht es ähnlich aus, nur dass Naito besser organisiert zu sein scheint. Sein Schreibtisch ist auch sehr aufgeräumt und sauber, und alle Stifte stehen in einem Behälter neben einem leeren gelben Blatt Schreibpapier. Ich sehe auch ein Glas voller Ankersteine. Ich gehe hinüber, hebe es hoch und studiere die beiden Weltkarten – eine der Erde, eine des Reiches –, die an der Wand hängen. Naito hat die Tore auf beiden Karten mit roten Reißzwecken markiert.
Ich drehe das Gefäß in meiner Hand, sodass die Ankersteine gegen das Glas stoßen. »Aren?«
Keine Reaktion.
Ich beiße mir auf die Unterlippe und frage mich, wie ich an ihn rankommen soll. »Taltrayn kann dir helfen.«
Er lacht kurz und bitter auf. »Denkst du, ich würde meine Meinung ändern, nur weil du seinen Nachnamen benutzt?«
Okay. Schlechte Strategie. »Hier geht es nicht um ihn. Es geht um die Rebellion.«
»Es geht um dich.« Er steht abrupt auf, der Stuhl rollt auf mich zu.
Ich halte ihn fest und überlege, wie ich es ausdrücken soll, ohne Aren wehzutun. »Das ist das Problem, Aren. Es sollte nicht um mich gehen. Du hast die Chance, den Krieg zu beenden.«
»Das kann ich auch ohne
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